Serie "Glaubenssache": Südafrika:Das Geschäft mit Gott

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Die Pfingstbewegung findet in Afrika regen Zulauf, auch weil sie die christliche Botschaft den spiritistischen Traditionen angepasst hat. Ein Besuch im "Tempel des Glaubens" von Kapstadt.

Michael Bitala

Kapstadt - Sonntagmorgens kurz vor zehn Uhr, das Zentrum von Kapstadt ist wie ausgestorben, in den nahezu leeren Straßen lungern nur ein paar Bettler und obdachlose Kinder. In der Buitenkant-Straße aber, vor der Hausnummer neun, drängen sich die Menschen, Männer haben Anzüge und Krawatten an, die Frauen schöne Kleider, und auch die Jungen und Mädchen sind herausgeputzt als ginge es zu einer Hochzeit.

Kreuz vor der St Mary's Church in Kapstadt (Foto: Foto: AP)

Sie alle strömen in den "Tempel des Glaubens", in ein neues, riesiges Glas- und Betongebäude, auf dessen Fassade in blauer Neonschrift "Jesus Christ is the Lord" zu lesen ist. In ein paar Minuten beginnt der Gottesdienst, und im Foyer steht ein kleiner Mann, der mit seinem grauen Gesicht, seinem grauen Anzug und seinen glatt frisierten schwarzen Haaren nicht weiter auffallen würde, wäre er nicht der einzige hier, der eine helle Hautfarbe hat. Er heißt Pastor Alexander, kommt aus Brasilien und legt jedem, der das Gebäude betritt, beide Hände auf den Kopf. "Ich segne Dich", sagt er, danach geht es hinein in den Gebetssaal mit 2000 Plätzen. Auf der Bühne sind zwei große Kreuze zu sehen, eine Hammondorgel, Mikrophone, Lautsprecher und wiederum der Neonschriftzug: "Jesus Christ is the Lord."

Pastor Alexander stürmt auf die Bühne der "Universal Church of the Kingdom of God" und singt ohrenbetäubend laut: "Jesus ist der Herr. Nur wer gibt, dem wird gegeben. Jesus ist der Herr. Nur wer gibt, dem wird gegeben." Kaum ist der Mann fertig, fordert er die Gläubigen auf, Wünsche an Gott zu richten, worauf ein lautstarkes Stimmengewirr entsteht. Die Menschen schreien, rufen, flehen, bitten: um Reichtum, Glück, Gesundheit, Arbeit, eine bessere Wohnung oder auch ein Auto. Die meisten strecken dabei die Arme nach oben, andere schütteln sich oder zittern am ganzen Körper.

Danach wedeln die Gläubigen mit bunten Briefumschlägen. "Zehnt" ist auf ihnen zu lesen oder auch "10 Prozent". Soviel sollen die Menschen von ihrem Besitz spenden. "Nicht fünf Prozent", schreit der Pastor, "nicht sieben Prozent, nicht 15 Prozent! Zehn Prozent - und Gott erfüllt eure Wünsche." Schon wandern die Umschläge in die Körbe, die Dutzende Messdiener herumreichen.

So einfach kommt man hier mit Gott ins Geschäft: Gib zehn Prozent und deine Wünsche werden erfüllt. Bei solch einem Gottesbild ist es kein Wunder, dass die Universal Church, die 1977 vom Lotterieangestellten Edir Macedo in Rio de Janeiro gegründet wurde, umstritten ist. Das belgische Parlament, das das Gebaren dieser weltweit agierenden evangelischen Sekte untersuchen ließ, kam schon 1997 zu dem Schluss, dass es sich um eine "authentische Verbrecherorganisation handelt, mit dem Ziel der Vermehrung des eignen Reichtums ausgestattet."

Aber so simpel ist diese Glaubensgemeinschaft nicht zu erklären. In Großbritannien zum Beispiel hat sie den Status einer gemeinnützigen Institution. Sie verfügt über mehrere Millionen Anhänger, betreibt mehr als 2000 Tempel weltweit, besitzt 22 Radio- und 16 TV-Stationen und ist eine der am schnellsten wachsenden christlichen Gemeinden. Allein in Afrika finden sich Vertretungen in 30 Ländern. Pastor Alexander aber will nach den Gründen des Erfolgs nicht befragt werden, trotz mehrfacher Bitten lehnt er ein Interview ab: "Ich bin sehr beschäftigt", sagt er, "Messen, Heilungen, Seelsorge - Sie verstehen das sicherlich."

Himmel und Hölle

Die Zehn-Prozent-Kirche gehört jedenfalls zur rasant wachsenden Pfingstbewegung. In Afrika ist die Zahl dieser Religionsgemeinschaften, die auch Erweckungskirchen oder charismatische Kirchen genannt werden, geradezu explodiert, mehr als 10000 soll es geben. Das Besondere an der "Universal Church of the Kingdom of God" ist, dass sie ihre Heilslehre ausdrücklich auf Wohlstand und finanziellen Erfolg ausgerichtet hat, sonst aber unterscheidet sie sich kaum von anderen Freikirchen und Sekten auf dem Kontinent. Fast alle von ihnen propagieren die uralte protestantische These, wonach jeder für sein eigenes Schicksal verantwortlich ist: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. In ihrem Weltbild gibt es nur Gut und Böse, Himmel und Hölle.

Wer sich der Autorität Gottes, des Propheten, des Bischofs oder des Pastors unterwerfe, werde gerettet, wer nicht, sei des Teufels. Armut, Abtreibung, Alkohol, Ehebruch, Drogen, Homosexualität, Promiskuität sind Teufelszeug, Gott hingegen offenbart sich in Wohlstand, Treue, Gesundheit, Familienglück, wahrer Liebe. Nach dieser Lehre ist demnach jeder selbst schuld, der arm, krank und vom Leben benachteiligt bleibt. Im Zentrum der Verkündigung stehen Jesus und der Heilige Geist, die sich den Gläubigen direkt offenbaren, etwa durch Prophezeiungen oder Träume - oder auch, indem Kranke geheilt oder böse Geister oder auch der Teufel vertrieben werden.

Wie dies aussieht, zeigt Pastor Alexander. "Wer hat Ärger mit seinen Kindern?", fragt er, "wer kommt mit seinen Eltern nicht klar?" Schon laufen Hunderte Gläubige vor zur Bühne. Wieder beginnt ein Stimmengewirr, weil jeder auf seine Weise Gott bittet, die Probleme, die Dämonen, den Teufel zu vertreiben. "Satan, weiche von uns", schreit der Pastor. Dann kehrt zum ersten Mal seit gut einer Stunde etwas Ruhe ein. Ein Ehepaar und seine drei Söhne stehen nun auf der Bühne.

Die Mutter erzählt, dass sie kurz davor war, sich scheiden zu lassen, weil sie von ihrem Mann geschlagen wurde, weil die Kinder ihr nicht gehorchten, weil niemand Arbeit hatte, weil sowohl zwei Söhne als auch der Mann tranken. Heute sei alles anders. "Gott hat uns den rechten Weg gezeigt." Niemand trinke mehr, alle hätten Arbeit, und sie wohnten auch nicht mehr in einem Township am Rande der Stadt, sie hätten ein schönes Haus in einer guten Wohngegend. "Begebt euch in Gottes Hand", schreit Pastor Alexander, "kämpft gegen den Teufel, verjagt die Dämonen, dann öffnet sich das Paradies."

"Gehirnwäsche auf theologisch niedrigstem Niveau" nennt dies der deutsche katholische Pfarrer Stefan Hippler aus Kapstadt. Besonders perfide sei, dass den Menschen das wenige Geld, das sie besitzen, auch noch weggenommen werde. "Wer trotz seiner Spende nicht reich wird, wer keinen Erfolg hat", sagt Hippler "ist selbst schuld. Dann hat er eben nicht genug gebetet." Dennoch ist auch den Kritikern klar, warum solche Kirchen gerade in Afrika einen gewaltigen Zulauf haben. Wo das Elend, der soziale Zerfall so allgegenwärtig ist, schließen sich die Menschen gerne Religionsgruppen an, die Wohlstand und Erfolg versprechen: Auch du kannst es schaffen, wird verkündet. Auch haben diese Glaubensgemeinschaften ihre Heilslehre afrikanischen Traditionen angepasst. Wunderheilungen, die Bedeutung der Träume, der Kampf gegen Dämonen spielen eine zentrale Rolle - die von Europa aus dominierten Großkirchen dagegen haben über die Jahrhunderte hinweg versucht, solche Vorstellungen zu bekämpfen.

Geheimnis des Erfolgs

In Afrika jedenfalls scheinen die charismatischen Kirchen die Menschen zu erreichen, ihnen in gewisser Weise auch zu helfen. Forscher von der Universität in Johannesburg untersuchten in einer Studie das Fischerdorf Hout Bay nahe Kapstadt. Allein in diesem kleinen, dicht besiedelten Ort, der als typischer Mikrokosmos Südafrikas gilt, gibt es 17 verschiedene Pfingstkirchen. Deren Mitglieder, bilanzieren die Wissenschaftler, machten schneller soziale und wirtschaftliche Fortschritte als nicht-religiöse Menschen oder Mitglieder der etablierten Kirchen. "Wenn Menschen ihren Lebenswandel aufgrund einer moralischen Neuorientierung ändern, kann es ihnen leichter fallen zu sparen, sich um bessere Chancen im Leben zu bemühen, im Beruf härter zu arbeiten und mehr für ihre Gesundheit zu tun", vermuten sie. Ehemänner kümmern sich etwa mehr um ihre Familien, dass Geld übrig bleibt, welches früher vielleicht für Alkohol ausgegeben wurde. Und sie wollen wirtschaftliche Erfolge vorweisen - sind diese doch das Zeichen göttlicher Liebe.

Zum Schluss der dreistündigen Messe ruft Pater Alexander noch einmal zum Spenden auf. Eine neue Kirche, die in einem Township gebaut werde, brauche Stühle. "Wer kann 200 Rand geben?", das sind rund 25 Euro. Niemand reagiert. "Wer kann 100 Rand geben?" Ein Mann in einem besonders edlen Anzug geht nach vorne. "50 Rand?" Ein Dutzend Menschen erhebt sich. Erst als fünf Rand gefordert werden, greifen nahezu alle Gläubigen in ihre Geldbeutel. Dann verabschiedet der Pastor seine Gemeinde mit der Aufforderung, sich morgen hier wieder einzufinden, dann gebe es nämlich eine besondere Veranstaltung: "318 Männer Gottes beten für eure Finanzen."

© SZ vom 20.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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