Serbien und Kosovo:Doppelter Kurs auf die EU

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Kosovos Premier Avdullah Hoti (l.) und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wollen den Belgrad-Pristina-Dialog fortführen. (Foto: Armend Nimani, Andrej Isakovic/AFP)

Die verfeindeten Staaten wollen sich einander annähern, um ihre Chancen auf einen EU-Beitritt zu verbessern. Die Integration habe "höchste Priorität", versicherten Präsident und Premier.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Sowohl Serbiens Präsident Aleksandar Vučić als auch der kosovarische Ministerpräsident Avdullah Hoti haben versichert, dass die Integration ihrer Länder in die Europäische Union weiter "höchste Priorität" habe. Auch der von der EU vermittelten Belgrad-Pristina-Dialog solle fortgesetzt werden. Eine entsprechende Mitteilung" wurde vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag veröffentlicht, bevor dieser in Brüssel mit Vučić und Hoti zusammenkam, um im Rahmen des Belgrad-Pristina-Dialogs für eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen zu werben.

Zur "gemeinsamen Erklärung" gibt es eine Vorgeschichte: Erst am Freitag hatten Vučić und Hoti in Gegenwart von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus zwei separate, jedoch sehr ähnliche Dokumente unterzeichnet, die zu engerer wirtschaftlicher Kooperation führen sollen. Für Schlagzeilen sorgte, dass Serbien zusicherte, seine Botschaft in Israel 2021 von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Das seit 2008 unabhängige Kosovo beabsichtigt dies ebenfalls, sobald das Land mit Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen hat.

Während der um seine Wiederwahl kämpfende US-Präsident in Tweets von einem "wahrhaft historischen Tag" schwärmte, werden die Washingtoner Dokumente in der Brüsseler Stellungnahme nur als "möglicher nützlicher Beitrag" bezeichnet, um ein umfassendes, rechtlich bindendes Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zu finden. Ohne einen solchen Vertrag hat Serbien keine Chance auf einen Beitritt zur EU; gleiches gilt für Kosovo, das weiter von fünf EU-Staaten nicht anerkannt wird.

Ein Sonderbeauftragter soll im Auftrag der EU Schwung in den Aussöhnungsprozess bringen

Borrells Sprecher wollte das von "den amerikanischen Partnern" organisierte Treffen nicht kritisieren. Er sagte jedoch, dass Washington vorab nicht über die geplanten Verlegungen der Botschaften nach Jerusalem informiert habe. Die EU-Position sei eindeutig: Alle Vertretungen ihrer Mitgliedstaaten befinden sich in Tel Aviv.

Mit der Ernennung des früheren slowakischen Außenministers Miroslav Lajčák zum Sonderbeauftragten im April hat die EU signalisiert, dass sie "das Lenkrad" in die Hand nehmen und einen Ausgleich zwischen den verfeindeten Staaten und die Anerkennung Kosovos durch Serbien herbeiführen will. Lajčák hatte bereits am Wochenende separate Gespräche mit Vučić und Hoti geführt. Dabei ging es nicht nur um die Lage von Vermissten und Vertriebenen, sondern auch um jene Erklärung mit dem Bekenntnis zur europäischen Zukunft. Auch wenn beide Seiten den von Borrell gelobten Respekt und viel politischen Willen aufbringen, dürfte es noch Monate dauern, ein rechtlich bindendes Abkommen auszuhandeln.

© SZ vom 08.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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