Schwere Unruhen in Südafrika:Todesangst am Kap

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Gerne zeigt sich Südafrika als schöner Regenbogenstaat. Doch nun jagen Schläger die Schwächsten, vergewaltigen und töten. Die Regierung trägt Mitschuld an der Gewaltwelle.

Arne Perras

Südafrika, die Regenbogennation. So stellt sich der Staat am Kap gerne dar, wenn er sich von seiner besten Seite zeigen will. Menschen aller Couleur, die friedlich miteinander leben. Kein Hass, kein Neid, statt dessen Toleranz und Lebensfreude. Damit lockt der Post-Apartheidstaat Besucher aus aller Welt.

Barrikaden brennen, Menschen sterben und Tausende sind in Panik - Unruhen erschüttern Südafrika (Foto: Foto: Reuters)

In diesen Tagen aber zeigt sich Südafrika von einer ganz anderen, hässlichen Seite. Das schöne Bild wird zur bösen Fratze. Schläger machen Jagd auf die Schwächsten, auf Flüchtlinge aus dem afrikanischen Ausland. Sie töten, vergewaltigen und versetzen das Land in einen Schock.

Tausende fliehen in Todesangst in Kirchen und Polizeistationen vor dem Mob aus Johannesburg. Die Täter zielen vor allem auf Menschen aus Simbabwe. Schon drei Millionen Menschen aus dem Nachbarland haben am Kap Zuflucht gesucht. Sie sind in einer verzweifelten Lage. Dem Regime von Diktator Robert Mugabe sind sie entronnen, nun droht ihnen in Südafrika erneut Lebensgefahr.

Pauschal für alles verantwortlich gemacht

Die politische Elite des Landes hat die Überfälle scharf verurteilt. Das ist gut, löst aber noch keines der Probleme, die vermutlich das Feuer entzündet haben. Noch sind die Täterprofile nicht erstellt, aber für die Opfer gilt, dass sie in ein klassisches Sündenbock-Raster passen, wie es auch aus anderen Teilen der Welt bekannt ist.

Ausländer werden pauschal für alles verantwortlich gemacht, was im eigenen Staat schiefläuft - und davon gibt es genug. Nur jeder zweite Südafrikaner findet noch einen Job, die Jugend hat kaum Perspektiven, und in den Slums rutschen viele schnell ab in die Kriminalität. Auch Zuwanderer geraten so nicht selten auf die schiefe Bahn. Wer sie aber alle pauschal als Verbrecher hinstellt, der ist selbst kriminell.

Die Hetzjagden werden einen alten Konflikt im regierenden ANC wieder aufbrechen lassen: Präsident Thabo Mbeki gilt als kalter, entrückter Technokrat, viele glauben, dass er sich für die Belange der Armen nicht interessiert. Dies mag dem Präsidenten nicht ganz gerecht werden, doch die Wahrnehmung der kleinen Leute ist nun einmal so, und Schuld daran trägt Mbeki selbst.

Sie betrachten den jetzigen Präsidenten im Gegensatz zu Nelson Mandela nicht als warmherzigen Vater der Nation, und sie fühlen sich alleingelassen mit Häusernot und Kriminalität, mit Arbeitslosigkeit und zerrütteten Familien, die in Jahrzehnten der Apartheid zerstört wurden.

Die ANC-Regierung versucht durchaus, die Armut zu bekämpfen, ein beträchtlicher Teil des Budgets fließt in Bildung und soziale Dienste. Aber es kommt doch nicht genügend unten an, die Korruption grassiert. Armutsbekämpfung ist ein mühsamer Prozess, der in dem Staat am Kap noch viele Jahrzehnte dauern wird. Der ANC wird seinen Einsatz hierbei verstärken müssen, um den Nährboden der Gewalt auszutrocknen.

Hatz auf andere Afrikaner ist auch Verrat an der eigenen Geschichte

Kurzfristig aber geht es darum, dass der Funke nicht noch auf andere Städte überspringt. Die Polizeikräfte sind überfordert, womöglich muss die Armee eingreifen, um Schlimmeres zu verhüten. Doch neben der harten Hand des Staates sind auch Aufklärung und Dialog nötig, um den Fremdenhass zu bekämpfen.

Als Südafrika noch unter der Apartheid litt, haben benachbarte afrikanische Staaten den Widerstand gestützt. Afrikas Solidarität hat dazu beigetragen, das weiße Unrechtsregime am Kap zu überwinden. Die Südafrikaner müssen sich ins Gedächtnis rufen, dass die Hatz auf andere Afrikaner nicht nur ein Verbrechen ist, sondern auch Verrat an der eigenen Geschichte.

Dass so viele Simbabwer nach Süden geflohen sind, ist Schuld von Robert Mugabe, dem Machthaber in Harare. Er hat seinen Staat ruiniert. Doch auch Mbeki muss mit in die Verantwortung genommen werden. Mit seiner stillen Diplomatie hat er Mugabe in die Hände gespielt. Das rächt sich nun auch in Südafrika, weil das Land den Strom der Immigranten nicht mehr friedlich bewältigt.

© SZ vom 21.5.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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