Schweiz:Wem die Stunde schlägt

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Die Smartwatch bedroht die eidgenössische Uhrenindustrie - die nahm die digitale Konkurrenz lange nicht ernst.

Von Charlotte Theile

Eine mechanische Uhr aus der Schweiz ist ein Wunderwerk an Präzision, hergestellt von hoch spezialisierten, gut bezahlten Uhrmachern. Mit einer Smartwatch, einem massentauglichen Elektrogerät aus den schnelllebigen Zirkeln von Apple oder Samsung, hat sie wenig gemein. Als die ersten internetfähigen Zeitmesser an Handgelenken blinkten und vibrierten - und Apple vom Niedergang der Schweizer Traditionsbranche fabulierte -, blieb man im sogenannten Watch Valley zwischen Genf und Basel ruhig.

Konkurrenz? Für Jean-Claude Biver, Geschäftsführer der Luxusmarke Hublot, klang das nach einem Witz. "Unsere Uhren halten ewig! Es gibt keine Konkurrenz für Ewigkeit!" Die Werbeabteilung einer anderen Marke würde es wohl so formulieren: Eine Patek Philippe bewahrt man für die nächste Generation auf, eine Smartwatch wandert nach wenigen Jahren in den Elektromüll.

Und trotzdem: Bereits ein Viertel der Manager der Uhrenunternehmen begreift die vernetzten Geräte heute als Bedrohung. Dazu dürften eben veröffentlichte Zahlen beigetragen haben: 2017 wurden weltweit erstmals mehr Smartwatches als Schweizer Uhren verkauft. Besonders deutlich zeigte sich der Trend im vierten Quartal - hier soll allein der Hersteller Apple die Verkäufe der gesamten Schweizer Uhrenindustrie um mehr als zwei Millionen Exemplare übertroffen haben. Experten deuten das als klares Signal: Die Smartwatch ist zum Alltagsprodukt geworden. Und mehr als eine Uhr hat am Handgelenk halt keinen Platz.

Markus Baumgartner, der Uhren beim Zürcher Traditionshaus Beyer Chronometrie verkauft, sagt, Smartwatches seien nicht das Problem. Sondern eher neue Korruptionsgesetze in China, die nun früher in der Politik übliche Gastgeschenke aus der Schweiz untersagen, der starke Franken und andere Exportschwierigkeiten. Klar ist: Die gesamte Branche ist unter Druck. Fachgeschäfte wie Beyer, bis vor Kurzem die Einzigen, die exklusive Uhren verkaufen durften, bekommen nun auch Konkurrenz aus dem Internet.

Im Januar 2017 wagte die Firmengruppe Swatch, zu der die Traditionsmarke Omega gehört, ein Experiment: Sie bot ihre "Speedmaster" auf Instagram an, trotz eines Preises von knapp 5000 Euro war sie binnen Stunden ausverkauft. Für viele Uhrenliebhaber war die Aktion ein Kulturschock. Bei einigen Schweizer Marken müssen sich Kunden erst als Käufer qualifizieren, etwa, indem sie nachweisen, schon Uhren des Herstellers zu besitzen. Doch der Verkauf im Netz ist attraktiv, ohne Zwischenhändler bleibt den Herstellern mehr Gewinn. Trotzdem geben sich viele zurückhaltend, um den Wert ihrer Marken nicht zu schädigen. Und überhaupt: Würde man eine Uhr für 40 000 Euro per Social-Media-Link kaufen?

Ähnlich vorsichtig geht das Watch Valley mit den intelligenten Uhren um. Tag Heuer hat eine Luxus-Smartwatch im Programm, auch Montblanc und Louis Vuitton versuchen sich auf dem Markt. Andere halten Luxus-Smartwatches für eine dumme Idee: Sie kosten einige Tausend Euro, sind aber keine Investition, nichts, was man seinen Kindern vererben könnte. Sobald die Software überholt ist, muss man für die Zeitanzeige wieder aufs Handy schauen.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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