Schweiz:Kampf für mehr Transparenz

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In der Schweiz sind anonyme Parteispenden bisher erlaubt, das Land wird deshalb immer wieder von Korruptions­bekämpfern gerügt. Eine Initiative will das nun ändern - doch einige Parteien wehren sich.

Von Charlotte Theile, Zürich

Das politische System der Schweiz hat viele Besonderheiten, die meisten davon lassen das Land als demokratisches Vorzeigesystem erscheinen. Die Bürger können ihre Politiker über Volksabstimmungen und Referenden auf Kurs bringen, bei Gemeindeversammlungen ihre Steuersätze selbständig festlegen - und die aus nur sieben Ministern bestehende Regierung arbeitet meist geräuschlos und effizient, Personenschutz braucht sie fast nie. In einem anderen Punkt hinken die Schweizer dagegen seit Jahrzehnten den sonst üblichen demokratischen Normen hinterher: beim Geld. Schweizer Parteien und Abstimmungs-Komitees müssen nicht offenlegen, woher sie ihre finanziellen Mittel bekommen. Das bedeutet: Die Schweizer wissen weder, wie viel Geld Christoph Blocher, Stratege und Patriarch der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei (SVP), tatsächlich in seine Partei und ihre Kampagnen steckt, noch können sie nachvollziehen, welche Geldgeber hinter dem Volksbegehren für eine neue S-Bahn-Station in der Nachbarschaft stehen.

Damit soll nun Schluss sein. Anfang der Woche wurde in Bern eine Initiative eingebracht, die von Sozialdemokraten, Grünen, der bürgerlichen BDP und dem Schweizer Ableger von Transparency International getragen wird. Ihre Forderung: Abstimmungskomitees, die über mehr als 100 000 Franken verfügen, und Parteien sollen die Herkunft von Spenden über 10 000 Franken (etwa 8700 Euro) offenlegen müssen. Anonyme Spenden sollen künftig verboten sein.

Manche Partei fürchtet, dass ohne "Privatsphäre" für Spender ihre Geldquellen versiegen könnten

Mit Blick auf die Nachbarländer scheint das überfällig zu sein. Die Schweiz ist das einzige Land in Europa, in dem es keine Offenlegungspflicht gibt. Die Staatengruppe des Europarats gegen Korruption rügt Bern regelmäßig. Doch obwohl das Problem bekannt ist, konnte sich im Parlament bisher kein Vorstoß durchsetzen.

Bei den Bürgern ist diese Heimlichkeit zwar wenig populär. In Umfragen sprachen sich bis zu 87 Prozent der Schweizer für mehr Einsicht in die Bücher der politischen Akteure aus. An der Urne war die Zustimmung allerdings weniger deutlich. In kantonalen Abstimmungen haben sich Vorstöße für eine transparentere Parteienfinanzierung nicht durchgesetzt.

Die Politiker der rechtskonservativen SVP, der wirtschaftsliberalen FDP und der wertkonservativen CVP bekämpfen die Initiative. Sie passe nicht zum sogenannten Milizsystem des Landes, in dem politische Aufgaben meist nebenberuflich ausgeübt werden. Das heißt, dass fast jeder Abgeordnete in Bern noch andere Interessen vertritt. SVP-Präsident Albert Rösti fürchtet um seine Einnahmen: "Viele Spender sind in der Wirtschaft tätig und haben Kunden aus allen Parteien. Deshalb wollen sie nicht bekanntgeben, wem sie wie viel spenden", sagte er. Ohne die "Privatsphäre" der Spender würden die Geldquellen der Parteien, die in der Schweiz als Vereine organisiert sind, versiegen.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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