Schwarz-rote Sondierungen:Rückwärts aus der Sackgasse

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Union und SPD wollen miteinander koalieren - und die Kanzlerfrage in einem Spitzengespräch lösen.

Jens Schneider und Nico Fried

Es gibt noch keine Lösung im Berliner Kanzler-Poker - und doch wirkte Angela Merkel am späten Mittwochnachmittag sehr gelöst, fast schon so gut gelaunt wie Gerhard Schröder. Gut zweieinhalb Stunden hatten die Delegationen von CDU/CSU und SPD verhandelt. Es kam nicht zum Abbruch der Gespräche, den manch einer in Berlin wegen der Unklarheit in der Kanzlerfrage vorhergesagt hatten. Stattdessen geht es nun auf höchster Ebene weiter.

Erfreut sprach Merkel von einem "guten Tag". Denn bei den Sondierungsverhandlungen hatten sich beide Seiten offenbar inhaltlich stark angenähert. Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber erklärten daher, sie sähen gemeinsame inhaltliche Grundlagen für eine große Koalition. Um die nach wie vor ungeklärte Kanzlerfrage zu diskutieren, einigte man sich auf ein Spitzengespräch, das zeitnah, womöglich schon morgen nach den Sitzungen der Parteipräsidien, in jedem Fall aber noch in dieser Woche stattfinden soll. Er sei "optimistisch", dass in der kommenden Woche Koalitionsverhandlungen stattfinden könnte, sagte der CSU-Chef.

Zufriedenheit auf allen Seiten

Weitere Sondierungen seien nun wohl nicht mehr nötig, erklärte auch SPD-Chef Franz Müntefering. Grundsätzlich hätten beide Seiten ihre Dialogfähigkeit ausgelotet. Und auch Gerhard Schröder, der auf dem Weg nach Spanien war und es erkennbar eilig hatte, bekundete, dass die Chancen für eine große Koalition gegeben seien. Alle wichtigen Fragen würden in dem Spitzengespräch geklärt.

Dass die beiden Seiten also unerwartet weit auf einander zugegangen sind, liegt auch an der Alternativlosigkeit ihrer Positionen. Zwar hatte es aus der Union Forderungen gegeben, die SPD unter Druck zu setzen. Doch Angela Merkel wusste: Ein Ultimatum kann nicht ein bisschen oder nur halb gestellt werden. Wer eine Drohkulisse aufbaut, muss auch bereit sein, seine Drohung wahr zu machen.

Neue Chance für Jamaika

Für die Eskalation durch ein Ultimatum fehlte der Union schließlich auch eine plausible Alternativstrategie. Manche beharrten darauf, dass die SPD "schon zur Vernunft kommen" werde. Andere brachten erneut eine Alternative ins Spiel, an die selbst die eigene Basis nicht mehr glaubte: das so genannte Jamaika-Projekt einer schwarz-gelb-grünen Zusammenarbeit. Doch kaum ein Unionspolitiker erwartete, dass damit mehr gewonnen werden könnte als ein wenig Zeit.

Gedanklich durchgespielt worden war in der CDU auch die Idee, dass Merkel sich im neuen Bundestag zur Wahl stellen und in einem dritten Wahlgang zur Kanzlerin wählen lassen könnte. Doch eine solche Strategie galt nicht als geeignet, um das Fundament für eine stabile Regierung zu legen.

Die Fronten in der SPD schienen am Mittwochvormittag noch geschlossen zu sein. "Den Anspruch der Union zu akzeptieren, hieße Unterwerfung", sagte ein Sozialdemokrat: "Das macht keiner von uns." Die Folgen eines vorläufigen Scheiterns der Verhandlungen wären aber auch für die SPD schwer einzuschätzen. Hoffen könnten die Sozialdemokraten darauf, dass innerhalb der Union, namentlich aus der CSU, der Druck auf Angela Merkel wächst.

Wie eine frohe Botschaft verkündeten Sozialdemokraten den wartenden Journalisten vor den Sondierungsverhandlungen, dass Friedrich Merz sich jetzt als erster prominenter Christdemokrat kritisch über Merkels Wahlkampf geäußert hat. Das sei doch, bitte sehr, ein Zeichen!

Wie die Personalfrage geklärt wird, ist vorerst ein Geheimnis der Verhandlungspartner; bei den Auftritten vor der Presse wirkte Angela Merkel indes besonders erfreut. Mag sein, dass es der Kanzler eilig hatte, um noch ein bisschen Außenpolitik zu machen, bevor er abtritt.

© SZ vom 06.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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