Schwarz-rot übernimmt Amtsgeschäfte:Neue Regierung drückt aufs Tempo

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Seit einem halben Jahr ist Deutschland de facto nicht mehr regiert worden. Die neue Regierung gibt sofort Gas: Bereits am Donnerstag packt sie erste Gesetzesvorhaben an. Denn Kanzlerin Angela Merkel will sich daran messen lassen, ob sie die Arbeitslosigkeit abbaut - wie ihr Vorgänger.

Nina Bovensiepen und Ulrich Schäfer

Merkel zeigte sich an ihrem ersten Tag im neuen Amt entschlossen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Daran wolle sie sich messen lassen, betonte sie, ohne eine Zahl zu nennen. "Aber ich weiß ganz genau, wenn die Situation sich nicht geändert hat binnen der vier Jahre, dann wird die Entscheidung über die Leistungskraft dieser Regierung von der Bevölkerung sehr eindeutig sein", sagte die Kanzlerin.

Ähnlich äußerte sich Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). "Es macht keinen Sinn, irgendeine Zahl zu sagen", sagte er bei seinem Einzug in das Arbeits- und Sozialministerium. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei aber das wichtigste Anliegen der Regierung.

Müntefering kündigte eine schnelle Prüfung des Hartz-Gesetzes für ältere Arbeitnehmer an, das der Europäische Gerichtshof am Dienstag gekippt hatte. Die Regierung werde im ersten Halbjahr 2006 ein europafestes Gesetz zur leichteren Beschäftigung von Älteren vorlegen. Bereits in den Sitzungen des Kabinetts an diesem Donnerstag und am nächsten Dienstag will die Regierung weitere eilige Vorhaben auf den Weg bringen, damit sie am 1. Januar 2006 in Kraft treten können.

Als erstes sollen großzügigere Abschreibungsregeln für Betriebe, der Wegfall der Steuervorteile für Windkraft-, Medien- und Schiffsfonds und die Streichung der Eigenheimzulage beschlossen werden. Den Zuschuss für Bauherren und Erwerber von Immobilien wird es künftig nicht mehr geben. Das gilt allerdings nur für Neufälle; wer die staatliche Subvention bereits heute erhält, ist nicht betroffen.

Erste Auslandsreise der neuen Kanzlerin

Müntefering kündigte an, am Dienstag weitere eilige Gesetze ins Kabinett einzubringen. So will die Regierung beschließen, dass Arbeitslose den Zuschuss für eine Ich AG noch bis Mitte nächsten Jahres beantragen können. Darauf hatten sich SPD und Union im Koalitionsvertrag verständigt. Wie es in Regierungskreisen hieß, soll ebenfalls in der nächsten Woche die Angleichung des Arbeitslosengeldes II in Ostdeutschland (331 Euro) an das Westniveau (345 Euro) auf den Weg gebracht werden.

Bei ihrer ersten Auslandsreise bekannte sich Merkel in Paris zur engen deutsch-französischen Freundschaft, die aber nicht auf Kosten der osteuropäischen Staaten gehen werde. "Ich bin guten Mutes, dass es uns gelingt, die herzliche Beziehung fortzuentwickeln", sagte Merkel nach einem Treffen mit Staatspräsident Chirac, das sie symbolisch wichtig für ihren ersten Antrittsbesuch gewählt hatte. Chirac, der mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder eine enge politische und persönliche Beziehung gepflegt hatte, unterstrich ebenfalls die Bedeutung der deutsch-französischen Sonderbeziehung für die Europäische Union (EU). Sie seien gegen niemanden gerichtet, versicherte Chirac.

Merkel und Chirac bereiteten den Gipfel zum künftigen EU-Haushalt vor, wichen aber Fragen zu neuen Haushaltsvorschlägen aus. Man solle die Vorschläge der britischen EU-Präsidentschaft abwarten, sagten Chirac und Merkel. Auch beim Streitthema des türkischen EU-Beitritts verwies die Kanzlerin nur auf die bisherigen Positionen, wonach die Union eine Mitgliedschaft des Landes ablehnt.

Am Nachmittag reiste Merkel, die von Außenminister Frank-Walter Steinmeier begleitet wurde, nach Brüssel weiter. Dort waren Gespräche mit Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso geplant.

© SZ vom 24.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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