Schwarz-Gelb streitet um Schuldenkrise:Seehofer sieht Berliner Koalition in "äußerst schwieriger Lage"

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Schaut her, in Bayern funktioniert Schwarz-Gelb: Horst Seehofer stichelt gegen Berlin und will mit seiner Landesregierung ein Gegenbeispiel abliefern. Zugleich verschärft er im Streit um die Lösung der Euro-Schuldenkrise den Ton: Neue Hilfspakete für Griechenland werde es mit ihm nicht geben. Er werde sich von Kanzlerin Merkel auch nicht den Mund verbieten lassen, poltert er.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat den Ton in der Debatte über die Euro-Schuldenkrise verschärft. Der bayerische Ministerpräsident lehnte Hilfspakete ab, die über bisherige Vereinbarungen hinausgehen.

In Bayern ist die Welt noch in Ordnung: Georg Schmid (l), Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, begrüßt den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer zur Herbstklausur der CSU auf Kloster Banz. (Foto: dpa)

Im Kampf gegen die Schuldenkrise werde von den Bürgern Handlungsfähigkeit erwartet. Seehofer kündigte an, einen grenzenlosen Weg in eine "Schulden-Union" werde er nicht mitgehen. Vielmehr trage er nur die bereits vereinbarten Maßnahmen mit. Der CSU-Chef warnte, Deutschland dürfe nicht "ins Visier" der Rating-Agenturen geraten.

Zugleich forderte er vehement ein besseres Erscheinungsbild der Bundesregierung. Die schwarz-gelbe Koalition sei nach der "Serie" von verlorenen Landtagswahlen der CSU-Partner in einer "äußerst schwierigen Situation". In Bayern wolle er mit der CSU/FDP-Koalition das Gegenbeispiel abliefern. "Das ist meine Motivation: zu zeigen, dass eine bürgerliche Koalition gut regieren kann."

Angesichts der weit verbreiteten Zukunftsangst und Unsicherheit in der Bevölkerung will Seehofer in Bayern "Sicherheit, Chancengerechtigkeit und Nachhaltigkeit" zu Kernbotschaften machen. In seiner Grundsatzrede auf dem CSU-Parteitag im oberfränkischen Kloster Banz in zwei Wochen will Seehofer in einem großen Bogen den "bürgerlichen Lebensentwurf" als Grundlage der CSU-Politik skizzieren. Zudem werde seine Partei massiv darauf dringen, dass die Bundesregierung jetzt ihre Aufgaben erledige. Dazu zähle zum Beispiel die Bundeswehrreform und die notwendige Finanzierung von Verkehrsprojekten.

"Gegen Totschlagargumente"

Seehofer wandte sich entschieden gegen den Vorwurf, ein Europa-Skeptiker zu sein. In seiner Rede machte er deutlich, dass er sich trotz der Mahnungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht den Mund verbieten lassen und weiter Klartext reden werde.

Er lasse bei der Euro-Debatte keine "Totschlagargumente" gelten, sagte der Ministerpräsident unter großem Beifall. Wenn zum Beispiel ein Land aus der Euro-Zone "ausscheiden würde", dann ändere dies nichts an der Lebensfähigkeit Europas. "Dieser Versuch, etwas undiskutierbar zu machen, weil man jemand in die Ecke des Euroskeptikers stellt, da werde ich ganz allergisch."

Der Ministerpräsident nannte keine Namen, doch hatten sowohl Kanzlerin Merkel als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den vergangenen Tagenvor öffentlichen Spekulationen etwa über eine mögliche Insolvenz Griechenlands gewarnt.

Seehofer hält Kanzlermehrheit für politisch nötig

Seehofer mahnte zugleich, bei der Abstimmung über den neuen Euro-Rettungschirm müsse nächste Woche im Bundestag eine eigene Mehrheit der schwarz-gelben Koalition angestrebt werden. Am Vortag hatte Finanzminister Schäuble der Berliner Zeitung gesagt, eine Mehrheit von Union und FDP sei nicht zwingend erforderlich.

Eine Kanzlermehrheit sei zwar verfassungsrechtlich nicht notwendig, erklärte Seehofer weiter. Sie sei aber "politisch" geboten. Seehofer fügte hinzu: "Wenn die Kanzlermehrheit nicht zustande kommt, eröffnet dies Interpretationsmöglichkeiten." Ihm wäre es lieber, wenn Union und FDP dies vermeiden könnten. Der CSU-Chef versicherte, seine Partei sei "sicher niemand, der die Kanzlermehrheit gefährdet".

Am 29. September soll der Bundestag über den neuen Euro-Rettungsschirm abstimmen. Nun fordert auch mehrere Länder für den Bundesrat mehr Mitsprache bei den Hilfen für notleidende Euro-Länder. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich dabei auf einen Antrag, der von den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und dem Saarland ausgeht. Nach Angaben aus Länderkreisen wird der Antrag bei der Bundesratssitzung am Freitag wohl mit einer großen Mehrheit verabschiedet werden.

Zwar sind die Länder danach beim vorläufigen Euro-Rettungsfonds EFSF mit dem vom Bundestag vorgeschlagenen Informationsrecht einverstanden. Allerdings machen die Länder unmissverständlich klar, dass sie bei dem ab 2013 tätigen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM an grundlegenden Entscheidungen über milliardenschwere Kreditübernahmen beteiligt werden wollen. Bei dem nun für Januar geplanten Zustimmungsgesetz für den ESM haben sie dazu auch einen Hebel in der Hand, weil die Zustimmung der Länderkammer für die damit verbundene Änderung des EU-Vertrages unbedingt erforderlich ist.

Die Initiative für den EFSF-Entschließungsantrag geht von den Ländern Berlin, Baden-Württemberg, Bayern und dem Saarland aus. Über den genauen Wortlaut und die Unterstützung durch weitere Länder werde derzeit verhandelt, hieß es in Länderkreisen.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte sich am Mittwochabend auf ein neues Verfahren zur Parlamentsbeteiligung an künftigen Beschlüssen des aufgestockten Euro-Rettungsschirms EFSF geeinigt. In besonders sensiblen Fällen wie beim Kauf von Staatsanleihen von überschuldeten Euro-Ländern an den Börsen soll ein geheim tagendes Sondergremium über die deutsche Beteiligung an den Nothilfen entscheiden.

© sueddeutsche.de/dapd/dpa/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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