Schulabbrecher:Junge Menschen ohne Chancen

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Der Anteil der Scheiternden ist in ostdeutschen Ländern besonders hoch. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Aller Bildungsgipfel zum Trotz: Noch immer verlassen sechs Prozent der Schüler eines Jahrgangs die Schule ohne Abschluss.

Von Johann Osel, München

Der Anteil der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, ist weiter gesunken. Zuletzt beendeten deutschlandweit 47 000 Schüler ihre Bildungslaufbahn, ohne zumindest einen Hauptschulabschluss zu schaffen. Das sind sechs Prozent des Jahrgangs. Jungen scheitern öfter als Mädchen. Das geht aus der nun erschienenen Datenreihe "Schulen auf einen Blick" des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden hervor.

Damit setzt sich der Trend fort, wonach immer weniger Jugendliche gar keinen Abschluss erwerben. Dennoch haben Bund und Länder ihre selbst gesetzten Ziele verfehlt. Innerhalb von fünf Jahren sollte die Zahl der Schulabbrecher halbiert werden - so hatten es 2008 Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten auf ihrem Dresdner Bildungsgipfel versprochen. Damals lag die Quote bei acht Prozent. In den Folgejahren zeigten sich Bildungspolitiker guter Dinge, dass die Halbierung statt 2013 dann eben leicht verzögert eintreten werde. Falsch, wie jetzt die Daten des Bundesamts zeigen. Die Angaben beziehen sich auf Ende 2014. Im regionalen Vergleich erkennt man, dass der Anteil der Scheiternden in den meisten ostdeutschen Ländern den bundesweiten Fortschritt bremst. So verließen in den neuen Ländern acht bis zehn Prozent der Jugendlichen 2014 die Schule ohne Abschluss, im Westen meist deutlich weniger. Gleichwohl ist der Prozentsatz auch in den neuen Ländern gesunken, frühere Erfassungen hatten für Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern noch klar zweistellige Prozentsätze ausgewiesen.

Jugendliche ohne Abschluss sind bei der Suche nach Ausbildungsplätzen meist chancenlos. Wie Studien zeigen, haben selbst Hauptschüler enorme Probleme, eine Lehre zu beginnen. Bei mehr als 60 Prozent aller angebotenen Stellen waren sie laut einer Analyse von vornherein ausgeschlossen. Laut den neuen Daten des Bundesamts steigt im Gegenzug der Anteil der Absolventen mit mittlerer Reife und noch mehr derjenigen mit Abitur oder anderer Hochschulreife: Studienberechtigtenquote - 53 Prozent des Jahrgangs.

Die hohen Abbrecher-Quoten im Osten erklären die Statistiker mit den überdurchschnittlich hohen Anteilen an Förderschülern. An deren Einrichtungen verfehlt die Mehrheit einen Hauptschulabschluss. Als "Sackgasse" hat Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung und früherer Hamburger Wissenschaftssenator, die Förderschulen in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung mal bezeichnet. "Der vermeintliche Schutzraum entpuppt sich als Isolationsfalle." Experten wie Dräger hoffen, dass durch die Inklusion - also den Regelschulbesuch behinderter oder lerngestörter Kinder - auch reguläre Abschlüsse üblicher werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte 2015 bei einer Zwischenbilanz zum Bildungsgipfel auch eine "soziale Schieflage" als Ursache für Schulabbruch benannt. Damals hieß es, dass eine Halbierung der Quote "nicht absehbar" sei. Herkunft und Geldbeutel der Eltern seien nach wie vor ausschlaggebend für Bildungserfolg. DGB-Vize-Vorsitzende Elke Hannack sagte: Das System schaffe "zu viele Bildungsverlierer. Diesen Menschen droht ein Leben in prekären Verhältnissen, die meisten von ihnen werden kaum den eigenen Lebensunterhalt verdienen können". In der Reaktion auf die DGB-Schelte hatte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) zwar auf die immer besseren Pisa-Leistungen ärmerer Schüler verwiesen, auf den Kita-Ausbau sowie steigende Studierendenzahlen. Dass es bei den Schulabbrechern langsamer vorangeht als erhofft, konnte die Ministerin aber kaum abstreiten.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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