Schottland:Abspaltung verschoben

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Das Parlament in Edinburgh bricht angesichts der Anschläge in London die Debatte über ein neues Referendum dazu ab, ob sich die Schotten wegen des Brexit vom Vereinigten Königreich künftig loslösen sollen.

Von Christian Zaschke, London

Das schottische Regionalparlament in Edinburgh hatte für Mittwochabend eine Sitzung anberaumt, mit der es der Zentralregierung in London weh tun wollte: Nach zweitägiger Debatte sollten die Abgeordneten über einen mögliches neues Unabhängigkeitsreferendum für Schottland abstimmen. Dazu sollte es jedoch nicht kommen. Als die ersten Nachrichten von der mutmaßlichen Terrorattacke auf die Herzkammer von Großbritanniens parlamentarischer Demokratie Edinburgh erreichten, brach das Parlament seine Aussprache ab. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon, die zuvor die Abgeordneten zu einer Ja-Stimme für das Referendum aufgerufen hatte, schrieb auf Twitter: Ihre Gedanken seien bei allen Betroffenen im Londoner Regierungsviertel Westminster und bei den tapferen Rettungskräften.

Aus Sicht der schottischen Nationalisten-Partei hat sich mit dem Brexit alles geändert

Auch in Westminster hatten am Mittwoch die Abgeordneten des britischen Unterhauses über einen möglichen neuen Anlauf zu einer Unabhängigkeit Schottlands diskutiert, bevor es zu dem Angriff vor dem Parlamentsgebäude kam. Angus Robertson, Fraktionschef der separatistischen Scottish National Party (SNP), wollte in der Debatte wissen, warum in aller Welt die britische Premierministerin Theresa May den Schotten kein zweites Referendum erlauben wolle. Diese antwortete ihm schneidend, das liege daran, dass sie eben den Willen der Bürger respektiere. Und diese hätten nun einmal 2014 gegen die schottische Unabhängigkeit und 2016 für den Austritt aus der EU gestimmt.

Aus Sicht der SNP hat die Zustimmung zum Brexit jedoch alles geändert, weil die Mehrheit der Schotten in der EU bleiben wollte. Deshalb hatte die Partei für Dienstag und Mittwoch eine zweitägige Debatte im schottischen Parlament anberaumt, in der es darum gehen sollte, ob das schottische Parlament eine zweite Volksabstimmung über die Unabhängigkeit verlangt. Die finale Abstimmung, zu der es wegen der Attacke in Westminster nicht kommen sollte, war für den Mittwochabend angesetzt. Es galt als sicher, dass es mit den Stimmen von SNP und den Grünen eine Mehrheit für ein neuerliches Referendum geben würde.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es in absehbarer Zeit auch ein Referendum geben wird, wenn die Abstimmung im Regionalparlament zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird. Damit eine Volksabstimmung in Schottland rechtskräftig werden kann, müsste die Zentralregierung in London zustimmen. May hat jedoch unmissverständlich klargemacht, dass sie kein Referendum erlauben werde, solange die Verhandlungen über den Brexit laufen.

Mitte der kommenden Woche will May Brüssel offiziell vom Austrittswunsch der Briten gemäß Artikel 50 der EU-Verträge unterrichten. Dann beginnt eine zwei Jahre währende Verhandlungsphase über die genauen Bedingungen des Austritts. Es gilt als ausgeschlossen, dass in dieser Zeit erneut über die schottische Unabhängigkeit abgestimmt wird. Ist der Austritt einmal vollzogen, ist eine neue Abstimmung allerdings durchaus wahrscheinlich.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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