Schmalzl wird doch nicht Generalbundesanwalt:FDP-Wunschkandidat schmeißt hin

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Unsichere Mehrheit im Bundesrat: Nach vehementen Protesten kandidiert der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl doch nicht für das Amt des Generalbundesanwalts. Die Bundesanwaltschaft wird damit führungslos - eine Blamage für das Justizministerium.

Der Kandidat von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für das Amt des Generalbundesanwalts gibt auf. Johannes Schmalzl (FDP) habe seine Kandidatur in einem Brief an die Ministerin zurückgezogen, teilte das Bundesjustizministerium in Berlin mit.

Der Wackelkandidat gibt auf: der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP). (Foto: dpa)

Der Tagesordnungspunkt werde abgesetzt, sagte Bundesratspräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in der Länderkammer. Eigentlich wollte der Bundesrat darüber entscheiden, ob Schmalzl Nachfolger von Monika Harms wird, die Ende des Monats in Ruhestand geht.

Die Personalie war jedoch hochumstritten. Mehrere Justizminister vor allem SPD-geführter Länder sowie einige Generalstaatsanwälte hatten die Nominierung des FDP-Politikers in jüngster Zeit mit der Begründung kritisiert, er sei unzureichend qualifiziert. Die von CDU beziehungsweise CSU und FDP regierten Länder kommen im Bundesrat nur auf 25 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 35.

Die grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs hatte zuvor angekündigt, Schmalzl unterstützen zu wollen, andere Landesregierungen wie Rheinland-Pfalz ließen ihre Zustimmung offen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgehalten, die Länder bei der Angelegenheit nicht gut eingebunden zu haben. Er verteidigte aber Schmalzl und betonte, er sei für diesen Posten geeignet.

Nur drei Monate Erfahrung als Staatsanwalt

Dies hatte in der vergangenen Woche der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg in einem Schreiben an Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger bestritten. Er kritisierte, dass Schmalzl nur drei Monate Erfahrung als Staatsanwalt habe und damit "weit unter dem Niveau der wissenschaftlichen Mitarbeiter" liege. Von dieser Einschätzung hatten sich daraufhin einige Generalstaatsanwälte distanziert, darunter der saarländische Generalstaatsanwalt Ralf-Dieter Sahm und sein Kollege aus Karlsruhe,

Nun ist etwas eingetreten, was man in der Bundesanwaltschaft für unmöglich hielt. Es ist ein einmaliger Vorgang, dass die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ohne Generalbundesanwalt dasteht, weil dem Kandidaten vom Bundesrat die Unterstützung fehlt.

In der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe waren bis zum Donnerstag noch alle davon ausgegangen, dass ihr neuer Chef Johannes Schmalzl heißt. Einer aus der Führungsetage der Bundesanwaltschaft sagte: "Wenn die Bundesjustizministerin sich vorher nicht überzeugt hätte, dass ihr Kandidat die Mehrheit im Bundesrat findet, dann wäre das Dummheit."

Die noch amtierende Generalbundesanwältin Monika Harms geht trotzdem wie geplant in den Ruhestand. Sie wird am 29. September mit 65 Jahren die Altersgrenze erreichen und muss ausscheiden. Theoretisch könnte ihre Amtszeit zwar verlängert werden, aber das hatte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger abgelehnt. Zur Abschiedsveranstaltung im Karlsruher Staatstheater ist bereits eingeladen.

Behörde ohne Chef

Die Behörde muss und wird jetzt ohne Generalbundesanwalt weiterarbeiten. Geleitet wird sie vom ständigen Stellvertreter Rainer Griesbaum. Bundesanwalt Griesbaum ist der Öffentlichkeit kein Unbekannter, schon mehrfach hat er Pressekonferenzen in Karlsruhe geleitet. Er gilt als der mächtigste Mann in der Behörde, was auch am Führungsstil von Harms liegt. Die ehemalige Strafrichterin delegiert viel und verbringt viel Zeit außerhalb von Karlsruhe. Auf ihre Mitarbeiter im Hause kann sie sich verlassen.

Die Bundesanwaltschaft hat drei Zuständigkeitsbereiche: Strafverfolgung von Terroristen, Verfolgung von Spionage und Völkerrechtsverbrechen, die dritte Abteilung ist zuständige für Revisionen in Strafprozessen vor dem Bundesgerichtshof. Jede der drei Abteilungen wird von einem Bundesanwalt geführt. Die drei Abteilungsleiter heißen Rainer Griesbaum (Terrorismus), Rolf Hannich (Spionage und Völkerstrafrecht) und Gerhard Altvater (Revision).

Es ist in der Geschichte der Bundesanwaltschaft nur einmal passiert, dass die Behörde vom Vertreter geführt wurde. Das war 1993. Damals wurde Generalbundesanwalt Alexander von Stahl entlassen. Auch er war ein FDP-Mann. Der ehemalige Staatssekretär aus dem Berliner Senat hatte sich als Generalbundesanwalt bei der Verhaftung von RAF-Terroristen in Bad Kleinen in arge Widersprüche verwickelt. Bei einer Verhaftungsaktion auf dem Bahnhof in Bad Kleinen war ein Polizeibeamter erschossen worden. Auch RAF-Mitglied Wolfgang Grams kam ums Leben. Wochenlang war unklar, ob Grams aus Rache von der GSG9 erschossen wurde oder sich selbst umbrachte.

Von Stahls Amtszeit war nach nur drei Jahren beendet. Seine Entlassung musste die damalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger aussprechen. Bis Kay Nehm als neuer Generalbundesanwalt die Nachfolge antrat, leitete der damalige Stellvertreter Gerhard Löchner einige Monate die Bundesanwaltschaft. Bis jetzt ein neuer Generalbundesanwalt gefunden ist, wird es mindestens ebenso lange dauern.

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