Schlichter im heißen Krieg:Option Frieden

Lesezeit: 3 min

Wer von einer neutralen Friedenstruppe als Keil zwischen den Fronten fabuliert, der ist naiv.

Stefan Kornelius

Ein Krieg geht erst dann zu Ende, wenn eine Seite gesiegt hat und der Gegner seine Niederlage eingesteht. Ein Krieg geht außerdem dann zu Ende, wenn die Kriegsparteien ausgekämpft sind - ein wahrer Sieger muss nicht feststehen, aber der Krieg mündet in Erschöpfung.

Auf beiden Seiten leidet die Zivilbevölkerung unter dem Konflikt, hier in Haifa. (Foto: Foto: dpa)

Lediglich in diesen beiden Fällen kann eine dritte, schlichtende Partei gefahrlos und friedensstiftend wirken. Erst dann kann eine Friedenstruppe eingesetzt werden, um Abstand zwischen den Gegnern herzustellen.

Sie ist dabei auf den Konsens der Kriegsparteien angewiesen. Greift eine dritte Partei aber in einen heißen Krieg ein, dann ist sie selbst Teil des Konflikts und wird sich bald entscheiden müssen, auf welcher Seite sie kämpft.

Wer heute im Krieg zwischen Hisbollah und Israel von einer neutralen Eingreiftruppe fabuliert und sich eine Pufferarmee als Keil zwischen den Fronten wünscht, der ist naiv. Der Nahostkonflikt lehrt, dass es Neutralität auf Dauer nicht gibt.

Wer sich in die Auseinandersetzung begibt, der wird seine Unschuld schnell verlieren. Selbst die besten Absichten werden da wenig nützen: Wer Truppen als Schlichter an die libanesisch-israelische Grenze schickt, der wird instrumentalisiert, manipuliert und am Ende in den Krieg hineingezogen.

Denkbar ist natürlich, dass die UN eine robuste Kampftruppe mandatieren, die an der Front mit Gewalt für Abstand sorgt, die Israel am Beschuss hindert und die Hisbollah-Milizen entwaffnet.

Ein solches Mandat können militärisch nur die USA erfüllen, aber sie haben kein Interesse daran, genauso wenig wie andere potenzielle Konfliktschlichter ein Interesse an einer Verwicklung in den Nahostkrieg haben - jetzt nicht, denn die Zeit ist noch nicht reif für diese Vorstellung.

Den USA wird gerne vorgeworfen, dass sie passiv der Eskalation zuschauten und alle diplomatischen Möglichkeiten ignorierten. Der Vorwurf ist nicht ganz unberechtigt.

Denn so wie Israels Reaktion auf den Angriff der Hisbollah unproportional ist, so ist Washingtons Passivität auf ihre Weise unproportional.

Die US-Regierung signalisiert ihre volle Unterstützung für Israel und willigt damit in den von Iran angefeuerten Stellvertreterkrieg ein.

Einerseits.

Andererseits darf man sich über den amerikanischen Handlungsspielraum in Nahost keine Illusionen machen.

Die Regierung Bush hat in sechs Jahren fast jede diplomatische Chance im Konflikt Israels mit den Palästinensern verspielt. Washington hat seine unter Präsident Bill Clinton ausgeübte Maklerrolle aufgegeben.

Sicher: Amerika hegte schon immer mehr Sympathie für Israel, und dennoch waren es die USA, die für die Palästinenser und die meisten Nachbarstaaten eine Garantiemacht waren. Diese Rolle hat Bush nicht erst im Libanon-Konflikt aufgegeben. Diese Rolle haben die USA vor allem durch das Irak-Abenteuer verloren.

Gift für die Region

Zu den Realitäten des eine Woche alten Nahostkrieges gehört also nicht nur, dass der Konflikt zu frisch ist, um bereits eine politische Option für eine Befriedung zu sehen.

Zu den Realitäten gehört auch, dass die Kriegsparteien, die Regionalmächte und die den Konflikt befeuernden Staaten USA und Iran blitzschnell die übergeordnete Bedeutung der Kämpfe erkannt haben.

Hier wird auf kleiner Flamme ein Gebräu gekocht, das - bei entsprechender Erhitzung - die ganze Region vergiften kann.

Kern des Hisbollah-Israel-Krieges ist die Auseinandersetzung um den Einfluss von islamischem Fundamentalismus in Nahost, oder umgekehrt: der Kampf um die Modernisierung.

Wer, wie die Hisbollah, zugunsten der Palästinenser zu wirken vorgibt, der zerstört die jüngste demokratische Errungenschaft dieser Schutzbefohlenen: eine frei gewählte Regierung, die intern um ihre Legitimation ringt und dabei war, wenigstens in Teilen von den undemokratischen Waffen des Terrors zu lassen.

Die Hisbollah hat kein Interesse an einer demokratisierten Hamas-Bewegung, sie hat kein Interesse an einer immer stabiler werdenden libanesischen Regierung, die sich ihrem Einfluss entzieht.

Sandkasten für Schlachtenspiele

Hisbollahs Angriff könnte sich aber als taktische Fehlkalkulation erster Güte erweisen, weil die Organisation allen Ländern der Region vorführt, was der entfesselte Fundamentalismus für sie bedeutet.

In Ägypten, Jordanien, in den Golf-Staaten - überall wächst die Angst vor dem aus Teheran gesteuerten militanten Islam. Der Libanon dient da als Sandkasten für weit größere Schlachtenspiele; hier könnte im Kleinen jetzt schon entschieden werden, was der Region eines Tages im großen Stil droht: die Auseinandersetzung zwischen islamistischem Fundamentalismus und reformorientierter Modernisierung, der hegemoniale Konflikt zwischen den USA und dem Iran.

Der Krieg Hisbollah - Israel ist also die Chiffre für viel grundsätzlichere Fragen, es geht um mehr als eben nur den Fortbestand der Hisbollah.

Solange sich alle direkt und indirekt verwickelten Mächte Vorteile aus der militärischen Eskalation erhoffen, wird es keine politische Befriedung geben. In diesem Moment auf Washington zu vertrauen, wäre der falsche Reflex.

Die USA sind zu schwach für ein Machtwort, und für eine Friedenstruppe ist noch kein Platz.

© SZ vom 20.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: