Schleswig-Holstein:Der Wahlausgang als Nebensache

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SPD und Grüne in Berlin haken das Ergebnis von Schleswig-Holstein schnell ab - sie haben ganz andere Probleme.

Von Nico Fried und Reymer Klüver

Peer Steinbrück war mit einem klaren Ziel nach Berlin gekommen: Wo immer seit Sonntagabend eine Kamera auf ihn gerichtet war, forderte der Düsseldorfer Ministerpräsident immer wieder eine schnelle Klärung der Visa-Affäre.

Ein Blumenstrauß - dann ging's zurück ins Tagesgeschäft. Denn Rot-Grün hat zur Zeit ganz andere Probleme. (Foto: Foto: dpa)

In drei Monaten wird in Nordrhein-Westfalen gewählt, und Steinbrück verspürt kein Verlangen, dass der Wahlkampf seiner rot-grünen Koalition von den Turbulenzen um Außenminister Joschka Fischer beeinträchtigt wird.

Lehren für die Wahl in NRW

Das dürftige Ergebnis der SPD in Schleswig-Holstein geriet da schon bald eher zu einem Randaspekt, obgleich seine mutmaßlichen Ursachen auch für die so wichtige Wahl in Nordrhein-Westfalen eine Lehre bereithielten: Noch immer gelingt es der SPD offenbar nicht, ihre klassische Wählerschaft zu mobilisieren.

Von Seiten der SPD wird dafür als Hauptgrund angeführt, dass die Arbeitslosenzahl von mehr als fünf Millionen die Stimmung doch stärker beeinträchtigt habe, als von den Sozialdemokraten angenommen.

Visa-Affäre als Ablenkungsmanöver

In diesem Zusammenhang kam auch die Frage auf, ob es ausreiche, einen Wahlkampf praktisch ausschließlich auf den Spitzenkandidaten auszurichten, wie es die SPD in Schleswig-Holstein mit Heide Simonis getan hatte.

Steinbrück plant für NRW eine ähnliche Strategie - in den hinteren Reihen seiner Landespartei tauchte daher am Montag bereits die Forderung auf, dass die nächsten Wochen auch dazu genützt werden müssten, das inhaltliche Angebot zu präzisieren. Das wichtigste Thema dabei müsse die Arbeitslosigkeit sein.

So gesehen war die Visa-Affäre auch ein geeigneter Gegenstand, um von den internen Problemen ein wenig abzulenken. Ohnehin ist SPD und Grünen klar, dass das Krisenmanagement geändert werden muss, weshalb im Laufe des Tages ein Kurswechsel immer deutlicher erkennbar wurde: SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter erklärte nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei: "Jeder, der schnell und zügig aufklären will, hat uns auf seiner Seite."

Druck aus Nordrhein-Westfalen

Zwar habe niemand davon gesprochen, dass die Affäre Rot-Grün in Schleswig-Holstein geschadet habe, "aber es hat sicher auch nicht genutzt, wie das die letzten Tage behandelt wurde", so Benneter.

Er erwähnte indes nicht, dass es just die rot-grüne Mehrheit im Untersuchungsausschuss war, die vergangene Woche eine vorzeitige Vernehmung Fischers abgelehnt hatte.

Vor allem bei den Grünen stand dieses Thema natürlich an erster Stelle. Bärbel Höhn, die starke Frau der nordrhein-westfälischen Landespartei, drang vehement darauf, dass Fischer sich so schnell wie möglich im Ausschuss befragen lässt.

Chor der besorgten Drängler

Und auch ihre Landesvorsitzenden Britta Hasselmann und Frithjof Schmidt stimmten in den Chor der besorgten Drängler ein. Unterstützung folgte alsbald vom Parteivorsitzenden in Berlin, der das rot-grüne Vorgehen im Parlament schon in der vergangenen Woche für verfehlt gehalten hatte.

"Ich bleibe dabei, dass Fischer früher aussagen sollte", sagte Reinhard Bütikofer nach dem Parteirat. "Aus der Logik der politischen Auseinandersetzung", sagte er, müsse Fischer so schnell wie möglich sprechen.

Gewiss: Die grünen Überzeugungswähler blieben der Partei in Schleswig-Holstein am Sonntag treu. Doch für die Union, das ist Bütikofer klar, ist der Untersuchungsausschuss ein Wahlkampfhit, den sie nun auch in Nordrhein-Westfalen bis zur letzten Minute ausnutzen will.

Die Visa-Geschichte muss vom Tisch

Vielleicht habe die Visa-Geschichte dazu beigetragen, formulierte er etwas geschraubt, "der CDU zu erlauben, besser zu mobilisieren". Im Klartext: Die Visa-Geschichte muss vom Tisch, sonst sinken die Chancen in NRW noch weiter.

Fischer selbst sieht die Bredouille, in der er steckt. Aber er weiß auch, dass ihm die juristische Logik des Ausschusses derzeit jede Aussage verbietet. Nach was soll er befragt werden, wenn der Ausschuss nicht einmal die Akten vorliegen hat? Was soll er sagen, wenn er diese Akten selbst noch nicht studiert hat?

Krista Sager, die Fraktionschefin und nüchterne Pragmatikerin der Macht, sprang dem zaudernden Minister daher bei: "Fischer soll kommen, wenn der Untersuchungsausschuss aufbereitet hat, wozu er aussagen soll." Da blieb einem der grünen Strategen nur die von Seufzern begleitete Erkenntnis: "Wir stecken in einem nicht zu lösenden Dilemma."

© SZ vom 22.02.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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