Schill in Bayern:Die Pannen des Populisten

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In München erkannte kaum einer den Hamburger Senator - und auch sein Auftritt in Dachau misslang.

Jan Bielicki

(SZ vom 3.9.2002) - Es hätte ein Auftritt werden sollen. Für 13 Uhr hatte sich Ronald Barnabas Schill angesagt, um "mit dem Bürger klaren Schnack" zu reden. So hatte es Hamburgs Innensenator noch zwei Stunden zuvor angekündigt.

Doch die 50 Bürger im Dachauer "Zieglerbräu", die den bei den Hamburger Wahlen so erfolgreichen Populisten bei seinem bisher einzigen Wahlkampf-Auftritt in Bayern erleben wollten, warteten vergebens - rund 30 ältere Dachauer ebenso, wie etwa 15 aufgepunkte Teenager mit PDS-Abzeichen auf den abgerissenen Lederjacken. Schill kam nicht.

"Ein drängender Termin in seiner Eigenschaft als Hamburger Innensenator", so entschuldigte ein junger Mann im grauen Anzug den geplatzten Auftritt.

Damit erboste Matthias Niemeyer, bayerischer Spitzenkandidat von Schills "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" und im Land unbekannt, gerade die Älteren unter den Zuhörern: "Was kann denn der in Bayern für einen Termin als Senator haben", beschwerte sich einer, "der wichtiger ist als der hier?"

Bundestags-Auftritt wirkt nach

Es waren die Nachwirkungen eines anderen Auftritts Schills, der den Ausflug des Hamburgers nach Bayern so gründlich missraten ließ. Anstatt für den Einzug seiner Leute in den Bundestag zu werben, musste Schill per Funktelefon in seiner Hamburger Dienstlimousine die Scherben zusammenkehren, die seine eigene Bundestagsrede vom vergangenen Donnerstag in der Hamburger Regierungskoalition mit CDU und FDP hinterlassen hatte.

Dort war Schill während einer Debatte über die Flutkatastrophe über Ausländer und "unfähige Politiker" hergezogen und hatte für einen Eklat gesorgt, als er sich weigerte, seine Redezeit einzuhalten.

Es sei in den Telefonaten um "Hamburger Krisenmanagement" gegangen, räumte Schill hinterher ein. Von seinen Bundestags-Äußerungen habe er "nichts zurückzunehmen", sagte er und zeigte sich sicher, dass er auch nächste Woche noch Senator sein werde: "Daran besteht kein Zweifel."

Schill: Wir kommen "mit sechs Prozent" in den Bundestag

Und keine öffentlichen Zweifel hegt Schill auch am Wahlziel seiner Partei: "Mit sechs Prozent" komme sie in den Bundestag und werde als Koalitionspartner der Union "dafür sorgen, dass Edmund Stoiber die herausragende, ja vorbildliche Politik fortsetzen kann, die er in Bayern gemacht hat."

Denn eigentlich mag Schill den Freistaat und seine Staatsregierung. Seinen Polizeipräsidenten hat der Innensenator aus München nach Hamburg geholt. Doch jetzt, so klagt er, gebe Stoiber auf einmal "den weich gespülten Kandidaten". Sogar der "sehr, sehr hoch geschätzte" Innenminister Günther Beckstein wolle jetzt "die Visumspflicht für die Türken aufheben und so die Pforten Deutschlands ganz weit aufmachen" - da ist er "enttäuscht", sagt er allein während einer Pressekonferenz sieben Mal.

Kaum jemand erkennt Schill

Eigentlich wollte Schill das ja auch "dem Bürger sagen" - als "Freund klarer Worte, wie es Franz Josef Strauß einer war", so kündigte er an. Nur: Bei einem Spaziergang über den Münchner Marienplatz, begleitet von drei groß gewachsenen Beamten des Hamburger Landeskriminalamtes, erkannten ihn nur ein Hamburger Touristenpaar - und eine Handvoll Gegendemonstranten von der PDS.

Auch hier hatten die Schill-Leute eigentlich eine Veranstaltung angekündigt, aber vergessen, sie bei den Behörden anzumelden.

Auch der Besuch des Innensenators in der KZ-Gedenkstätte Dachau lief nicht so, wie sich das seine Wahlkämpfer versprochen hatten. Die Gedenkstätte ist montags geschlossen. Schill, dessen Großvater im Hamburger KZ Neuengamme ermordet worden war, durfte sie dennoch besuchen.

Allerdings allein und ohne gewaltigen Pressetross: Es sei ein "Privatbesuch", bei dem "man nicht wie so oft bei Politikern den Eindruck haben soll, es sei ein Wahlkampfauftritt", sagte Ronald Barnabas Schill. Sprach's in die Mikrophone und ließ sich vor dem ehemaligen Konzentrationslager fotografieren.

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