Schiffbruch eines Milliarden-Geschäfts:Allein gegen alle

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Die ganze Nation läuft Sturm gegen George W. Bush. Der Grund: Er will US-Häfen ausgerechnet arabischen Investoren überlassen. Es steht nicht gut um den amerikanischen Präsidenten.

Christian Wernicke

Für Jerry Lewis ist der Fall klar. "Dies ist eine Frage nationaler Sicherheit", glaubt der eingefleischte Republikaner. Damit hat der hochgewachsene Mann mit dem schlohweißen Haar eigentlich schon alles gesagt.

Bei diesem Thema darf seine Partei nicht wackeln, schon gar nicht, da in acht Monaten Kongresswahlen anstehen. Doch das Image seiner "Grand Old Party" als Hüterin und Beschützerin der Nation bröckelt.

Das, so erzählt der Vorsitzende des Haushaltsauschusses im Repräsentantenhaus, bekomme er "bisweilen deftig" zu hören, wann immer er in diesen hektischen Tagen in seinem Büro Zeit findet, selbst zum Telefon zu greifen.

Es klingelt von morgens bis spätabends, und meist sind es Protestanrufe treuer Wähler aus Süd-Kalifornien. Die wollen wissen, was ihr Mann in Washington denn tue gegen "den Ausverkauf nationaler Interessen".

"Ausgerechnet Araber"

Und dagegen, dass "ausgerechnet Araber" bald sechs US-Häfen kontrollieren dürfen. Inzwischen hat Lewis eine Antwort parat: "Amerikanische Häfen müssen in amerikanischer Hand bleiben."

Aus der Feder von Lewis nämlich stammt der knappe Text jenes Gesetzes, mit dem der US-Kongress nun den Konzern Dubai Ports World (DPW) stoppen will.

Für 6,8 Milliarden Dollar hat das Unternehmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten die britische Speditionsfirma P&O gekauft, und nach eingehender Prüfung durch zwölf Regierungsbehörden und sogar des Geheimdienstes CIA mochte Präsident George W. Bush "keinerlei Bedenken" gegen das Geschäft ausmachen.

Nur, das sehen die Volksvertreter ganz anders.

Als das Geschäft Mitte Februar durchsickerte, begehrte nur eine handvoll Demokraten dagegen auf, dass DPW an den Kais zu New York, Newark, Philadelphia, Baltimore, Miami und New Orleans etliche Container-Kräne und Lagerschuppen übernehmen würde.

Republikanische Rebellion

Längst hat sich der Fall zur republikanischen Rebellion gegen das Weiße Haus ausgewachsen: Reihenweise meutern Parteigänger gegen die "Instinktlosigkeit" der Regierung, in Baltimore schimpft der konservative Senats-Kandidat Harold E. Ford in TV-Spots sogar unverhohlen auf seinen Oberbefehlshaber:

"Der Präsident will diesen Hafen an die Emirate verkaufen" wettert Ford, "also an ein Land, das diplomatische Beziehungen zu den Taliban pflegte, das die Heimat war von zwei der Entführer vom 11. September und dessen Banken Geld an die Terroristen überwiesen." Das, so versichert Ford, sei mit ihm "nicht zu machen".

Nun gibt es kein Halten mehr.

In der Nacht zum Donnerstag votierten bei nur zwei Gegenstimmen 62 Kongressabgeordnete im Haushaltsausschuss für ein Gesetz, das den DPW-Deal für null und nichtig erklären würde.

Nächste Woche, bei der geplanten Abstimmung im Plenum, dürften die Mehrheiten ähnlich ausfallen. Dass der Präsident gedroht hat, einen solchen Beschluss notfalls per Veto zu blockieren, hat die Wut im Kongress nur zusätzlich angefacht.

Deshalb koppelte das Repräsentantenhaus seinen Vorstoß vorsorglich an einen 91 Milliarden Dollar schweren Nachtragshaushalt, mit dem die Regierung den Wiederaufbau von New Orleans sowie die Militäreinsätze im Irak und Afghanistan bezahlen will.

Zwar muss, damit das Verbot wirkt, erst noch der Senat zustimmen. Doch auch dort kippt die Stimmung - gegen das Weiße Haus.

Denn auch Senatoren lesen Umfragen.

Zwei von drei Wählern lehnen demnach das Hafengeschäft ab. Immerhin jeder vierte US-Bürger sagt sogar, er sei gegen den Verkauf jeder US-Firma an Ausländer.

Freie Fahrt für Dealer

Diese Stimmung, so fürchten nüchterne Manager, könne eine protektionistische Welle auslösen. "Eine Form des wirtschaftlichen Isolationismus" macht etwa John Castellani, der Präsident des mächtigen US-Business-Roundtable, unter seinen Landsleuten aus.

Schon warnen Ökonomen, der Hafenstreit könne ausländische Investoren abschrecken. Staatskonzerne aus dem Nahen Osten, dank hoher Ölpreise mit vollen Kassen gesegnet, bekundeten zuletzt reges Kaufinteresse - und die USA brauchen fremdes Kapital, um ihr horrendes Handels-Defizit in Höhe 726 Milliarden Dollar zu finanzieren.

Vergeblich mahnen Sicherheitsexperten, der Kongress verkenne die wahren Probleme in Amerikas Häfen. Es sei allein Aufgabe von Zoll und Küstenwache, die jährlich mehr als eine Million Container mit Röntgenstrahlen zu durchleuchten.

Weil das Geld fehle, werden jedoch nur zwei bis sieben Prozent aller Seefracht geprüft. Obendrein drang jetzt durch, dass die Hälfte aller Lkw-Fahrer mit einem Passierschein für den New Yorker Hafen vorbestraft sind - darunter ehemalige Drogendealer.

Seit Jahren schon ist der US-Seehandel in fremder Hand: Achtzig Prozent aller Verladefirmen, so argumentiert die Regierung, gehörten doch schon jetzt Nicht-Amerikanern.

Das machte Eindruck im Kongress. Jerry Lewis und andere Republikaner erwägen bereits, per Gesetz bald allen ausländischen Konzernen die Macht an den Kais zu untersagen. Aber das kommt später. Erst mal ist DPW dran, mit Sicherheit.

© SZ vom 10.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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