Scheidungswelle in Russland:Geld oder Liebe

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Wladimir Putin hat es getan - und er ist nicht allein: Auffällig viele russische Abgeordnete lassen sich scheiden. Mit Vermögen soll das alles nichts zu tun haben.

Von Frank Nienhuysen

Den Putins entschlüpfte das bittere Wort in einer Ballettpause. Der erste Akt von "Esmeralda" war gerade beendet, als Russlands Staatschef und seine Frau im Theater des Kremlpalasts ein ganz persönliches Drama erzählten - das Ende der 30-jährigen Ehe. "Scheidung?", fragte zaghaft eine Reporterin - "eine zivilisierte Scheidung", antwortete Putins Frau. Auch der Präsident also. Drei Jahre ist das nun her. Russland hat eine der höchsten Scheidungsraten in Europa, was Soziologen vor allem Alkohol, Geldproblemen und beengten Wohnverhältnissen anlasten. Nichts davon gilt in Putins Fall, und auch kaum in den spektakulären Rosenkriegen aus Russland, in denen Oligarchen und ihre klagenden Frauen vor Gericht über Milliardenbeträge debattieren.

Merkwürdigerweise ist die Scheidungswelle in Russland nun besonders kraftvoll in die Duma geschwappt, die sonst stets eine Insel stabiler Ehen gewesen ist. Von den Abgeordneten des Parlaments hatten sich in der vergangenen Legislaturperiode gerade mal sieben scheiden lassen. Nicht der Rede wert. Allein in den vergangenen vier Jahren sind es dagegen 102 Parlamentarier, wie der kommunistische Abgeordnete Wadim Solowjow herausgefunden hat. Seine These: "Es gibt meiner Meinung nach keine andere objektive Grundlage, die derart auf den Familienstatus meiner Kollegen Einfluss hat, wie das Anti-Korruptionsgesetz."

Im Kampf gegen das Übel sind russische Abgeordnete, Minister und hohe Beamte vor wenigen Jahren per Gesetz dazu verpflichtet worden, nicht nur ihr eigenes Vermögen zu veröffentlichen, sondern auch das ihrer Ehepartner und minderjährigen Kinder. Ein vernünftig erscheinendes Mittel der Transparenz, das nach Ansicht von Solowjow aber auch dazu geführt hat, dass aus Ehefrauen nun vermehrt Ex-Ehefrauen und aus Ehemännern Ex-Männer wurden - um diverse Einkünfte, Immobilien und andere Schätze womöglich zu verschleiern.

Solowjow will dies nun ändern und das Schlupfloch im Anti-Korruptionsgesetz schließen. Er hat einen Entwurf in die Duma eingereicht. Ihm schwebt vor, dass - Scheidung hin oder her - auch der frühere Ehepartner sein Vermögen deklariert, wenn die Betroffenen nach wie vor zusammenleben, einen gemeinsamen Haushalt führen oder in den Urlaub reisen. Als Richter hatte er einst mit Ehen und ihrem Ende beruflich zu tun. Jetzt muss Solowjow noch die parlamentarische Kollegenschaft überzeugen, was nicht so einfach werden dürfte. Denn ein Viertel von ihr hat ja eine Scheidung gerade hinter sich.

Eine von ihnen ist Irina Jarowaja, in der Duma Leiterin des Ausschusses für Sicherheit und Anti-Korruption. Sie hat nach einem Bericht der Zeitung Moskowskij Komsomolez bereits zwei Ehen mit Geschäftsmännern hinter sich, ihre Deklaration sei jedoch "eine der asketischsten": keine Privatwohnung, kein Haus, kein Grundstück, kein Auto. Nur die Deputierten-Wohnung und ihr Gehalt. Solowjow räumt ein, "eigentlich müsste man auch bei den erwachsenen Kindern nachschauen, den Eltern, den Geschwistern." Aber schon den Ehepartnern geht die Kontrolle zu weit. Der Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta sagte die Frau eines Beamten, "ich will ja gar nicht, dass er mein Gehalt kennt".

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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