Sarkozy: Premiere vor Kongress:Attacke in Versailles

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Erstmals seit 1873 sprach ein französischer Staatspräsident vor den Häusern des Parlaments. Sarkozy signalisierte, die Burka verbieten zu wollen.

G. Kröncke

Die neue Zeit begann mit den schlichten Worten des Parlamentspräsidenten Bernard Accoyer: "Im Namen des Parlaments heiße ich Sie willkommen, Herr Präsident. Sie haben das Wort."

Prunkvoller Auftritt: Erstmals seit 1873 hat am Montag wieder ein französischer Staatspräsident vor beiden Kammern des Parlaments gesprochen. (Foto: Foto: AFP)

Es war das erste Mal seit 1873, dass ein französischer Präsident vor beiden Häusern des Parlament, dem Kongress, sprach. Nachdem voriges Jahr, vor allem auf Betreiben von Nicolas Sarkozy, die französische Verfassung reformiert worden war, hat der Präsident am Montag zum ersten Mal von seinem erweiterten Rederecht Gebrauch gemacht.

Die Regel wonach der Präsident länger als ein Jahrhundert nicht vor dem Kongress sprechen durfte, sei geprägt gewesen von einem gegenseitigen Misstrauen, räumte der Präsident zu Beginn seiner Ausführungen ein. Diese Zeit sei lange vorbei. Sofort nach seiner Rede verließ Sarkozy Versailles.

Die Aussprache, bei der alle politischen Gruppen zehn Minuten Redezeit hatten, blieb ohne Konsequenzen. Nach der Verfassung gibt es keine Abstimmung. Die Grünen und die Kommunisten hatten die Veranstaltung boykottiert, während die Sozialisten sich für einen halben Boykott entschieden. Sie hörten zwar die Rede Sarkozys an, "aus Respekt vor dem Präsidenten-Amt", wie es in Versailles hieß, verließen danach jedoch den Sitzungssaal.

Nur selten war während der Ausführungen des Präsidenten Sarkozy Beifall aufgekommen. Er hatte begonnen mit der großen Krise. "Sie ist noch nicht vorbei und wir wissen nicht wann sie zu Ende ist." Aber bis dahin müsste alles getan werden, um das Bankensystem zu stabilisieren. "Und wir müssen jene schützen, die schwach sind, die am meisten leiden," sagte der Präsident. Es wäre aber ein "fataler Irrtum, zu glauben, es könnte alles so weiter gehen, wie zuvor".

Die Dogmen und die alten Werte gälten nicht mehr, sagte der Präsident, sie stünden alle auf dem Prüfstand. Sarkozy wertete die Krise als Chance, die "französischen Werte" einer Regulierung der Wirtschaft auch international durchzusetzen. Er verteidigte die mit der Krise verbundenen Haushaltsdefizite als "gute Defizite" und plädierte für einen neuen Sozialpakt mit den Gewerkschaften und Unternehmern. Er werde keine Sparpolitik betreiben und auch nicht die Steuern erhöhen. Denn damit würde das Defizit nicht gemindert, sondern erhöht.

Eingehend auf die Staatsphilosophie der Republik, sagte Sarkozy, die Laizität sei kein Zurückweisen der Religion, sondern ein Prinzip der Neutralität. Wie erwartet, ging er dabei auch auf das Problem der Burka ein. Die Burka, jenes Ganzkörpergewand, das nur ein Sehgitter für die Augen offen lässt, "ist kein religiöses Zeichen, sondern bedeutet die Erniedrigung der Frau".

Die Republik werde es nicht hinnehmen, dass Frauen "hinter Gittern" leben und vom Leben ausgeschlossen blieben. Dabei kam zum ersten Mal Beifall auf, in den auch die Frau des Präsidenten einfiel. Carla Bruni verfolgte die Rede ihres Mannes von der Zuschauertribüne.

In seiner Tour d'Horizon ging der Präsident auch die Rentenpolitik ein. "Das Jahr 2010 wir ein wichtiges Jahr für die Renten sein. Alles gehört auf den Tisch: das Rentenalter, die Dauer der Einzahlungen und, natürlich, die Ungerechtigkeiten. Ähnlich wie in anderen EU-Staaten wird auch in Frankreich diskutiert, ob die Bürger länger arbeiten sollten. Die Formel, auf die auch Sarkozy anspielte, spricht vom "Leben jenseits der 60".

Oppositionelle betonten, dass diese Rede durchaus auch vom Premier hätte gehalten werden können. Zudem fiel auf, dass Sarkozy weniger aggressiv sprach als es seine Gewohnheit ist. Oft bekräftigte er seine bekannte Politik. Etwa in der Frage der Internet-Piraterie. Er werde weiterhin konsequent die Rechte der Künstler verteidigen. "Es kann in unserer Gesellschaft keine rechtsfreie Zonen geben," sagte der Präsident.

Vor der Rede des Präsidenten hatte Jean-Marc Ayrault, der Fraktionschef der Sozialisten, heftige Kritik an Sarkozy und dem Procedere geübt. "Der Präsident kommt nicht, um mit uns, den Parlamentariern, einen Dialog zu führen, sondern um über uns hinweg zu reden," sagt Ayrault. Diese Rede Sarkozys stelle die "Regierungsform an sich" in Frage. Frankreichs Demokratie sei damit eine Demokratie zugunsten dieses einen Präsidenten geworden. klagte Ayrault.

Schließlich kritisierte die Opposition noch die Kosten des eintägigen Parlamentskongresses, die sich nach Angaben von Parlamentspräsident Accoyer auf 400000 Euro summierten.

© SZ vom 23.06.2009/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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