Sanktionen:Verdächtig ruhige Villa

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Obamas Regierung sperrt zwei russische Anwesen bei New York und Washington. Nachbarn berichten von russischen Familien am Wochenende und Parties. Die Amerikaner sprechen von Agenten-Tätigkeit.

Von Johannes Kuhn

Es klingt wie die Szenerie für einen Agentenfilm: Zwei russische Grundstücke außerhalb New Yorks und Washington firmieren offiziell als Feriendomizile für russische Diplomaten mit Tennisplatz, Bootsanlegestelle und Dampfsauna. Hinter der Vorstadt-Idylle aber werden die Anwesen zum "Sammeln geheimdienstlicher Informationen" genutzt, wie Barack Obamas Sicherheitsberaterin Lisa Monaco sagt. Genauere Angaben macht die US-Regierung nicht, und dass sie nun den Zugang zu beiden Grundstücken sperrt, ist auch ein symbolischer Schritt.

Das Gelände in Maryland, idyllisch auf einer Halbinsel an der Ozean-Mündung zweier Flüsse gelegen, ist alles andere als geheim: Es findet sich auf Google Maps unter "Russian Embassy's Country Retreat", ist also als Landsitz der russischen Botschaft vermerkt. Von Washington sind es nur 90 Minuten mit dem Auto. 1972 kaufte die Sowjetunion das Grundstück mit der dreistöckigen Villa, im Gegenzug erhielten die USA zwei Gebäude in Moskau. "Man kann sich keine besseren Nachbarn vorstellen", wurde in einem Artikel von 1979 ein Immobilienmakler zitiert. "Sie stören niemanden."

Tennisspieler, Familien, es wirkt alles recht normal auf dem Grundstück

Gerüchte über Spionage-Aktivitäten auf dem streng bewachten Anwesen hielten sich hartnäckig, ein Reporter der Washington Post traf 1987 bei einer Führung freilich nur Diplomaten, die sich auf ein Tennisturnier mit Vertretern des Internationalen Währungsfonds vorbereiteten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Russische Föderation Eigentümer. 2007 lud der russische Botschafter das Hochglanz-Magazin Washington Life auf das Grundstück ein und bezeichnete es als Datscha, also Sommeranwesen. Einheimische berichten, dass an Sommerwochenenden russische Familien das Anwesen bevölkerten und zur jährlichen Party am "Tag der Arbeit" auch Nachbarn eingeladen worden seien.

Bei dem New Yorker Grundstück handelt es sich um eine prächtige Strandvilla in Long Island (49 Zimmer, 14 Hektar Land), die offiziell von russischen UN-Diplomaten genutzt wird. Die Sowjetunion kaufte das Gelände bereits im Jahr 1951, zudem besitzt Russland auch ein Gebäude im Stadtteil Bronx. Dass die Sowjetunion in New York spionierte, war in der Spätphase des Kalten Kriegs allgemein bekannt. "Die Dächer (...) sind voller Antennen, um amerikanischen Unterhaltungen zuzuhören", schrieb ein ehemaliger sowjetischer Diplomat, der zu den Amerikanern übergelaufen war. Als 1982 die Reagan-Regierung Moskau vorwarf, die abgeschottete Villa auf Long Island für die Überwachung der örtlichen Rüstungsindustrie zu verwenden, reagierte der örtliche Stadtrat prompt und patriotisch: Er entzog den Diplomaten die kostenlose Parkerlaubnis am Strand und den Rabatt für die örtlichen Tennisplätze.

Nachbarn bezeichnen das Anwesen heute als "sehr ruhig", es soll sich nur Hauspersonal dort befinden. "Dort war nie viel los", erzählt ein Anwohner im Lokalfernsehen. "Tor auf, Tor zu, das war es."

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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