Salafismus:Der Terror und "Die wahre Religion"

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Die islamistische Gruppe um den Prediger Ibrahim Abou-Nagie legte sich in der Öffentlichkeit stets die weiße Weste an. Doch im Hinterzimmer soll sie junge Menschen für Terrororganisationen angeworben haben.

Von Alexander Triesch

Im Internet gibt sich die Gruppe ganz harmlos. Als Vertreterin muslimischer Bürger, die sich gegen Vorurteile wehren. In Deutschland, so wird in einem Video behauptet, spreche man über den Islam mittlerweile nur noch im Zusammenhang mit Gewalt, Hass, Terror, Scharia. Ein Prediger sagt: "Wir sind nur Muslime."

Jetzt wurde "Die wahre Religion", so heißt die Gruppe, von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verboten. Denn den Ermittlungsbehörden zufolge ist die Organisation, die vor allem im Raum Köln/Bonn aktiv ist, alles andere als eine gewöhnliche Religionsgemeinschaft. Sie gilt als streng salafistisch und soll der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahestehen.

Die Behörden vermuten, dass "Die wahre Religion" dschihadistische Islamisten für den Heiligen Krieg in Syrien und dem Irak rekrutiert. Mehrere Hundert Personen gehören der Gruppe an, einige sollen sich bereits dem IS angeschlossen haben. Das Netzwerk steht im Verdacht, vor allem in den sozialen Netzwerken für den radikalen Salafismus zu werben. In einer groß angelegten Razzia durchsuchten Polizisten heute Morgen mehr als 200 Wohnungen und Büros von Anhängern in der ganzen Republik. De Maizière bezeichnete das Verbot als klares Signal an die Szene, dass für radikale Islamisten kein Platz in der Gesellschaft ist.

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Das 2005 von dem palästinensischen Prediger Ibrahim Abou-Nagie gegründete Netzwerk steht bereits seit Jahren unter Beobachtung der Behörden. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr die Gruppe, als sie von 2011 an in mehreren deutschen Städten Koran-Ausgaben verteilte. Das Ziel der Aktion "Lies!": Jeder Haushalt in Deutschland sollte eine kostenlose Übersetzung im Regal stehen haben. Nach eigenen Angaben hat "Die wahre Religion" bis heute mehr als 3,5 Millionen Exemplare unter die Bevölkerung gebracht. Zwischenzeitlich lief die Kampagne auch in Großbritannien, Frankreich, Schweden und der Türkei. Was nach harmloser Missionierung aussah, war nach Ansicht des Verfassungsschutzes nur Fassade, um für eine ultrareaktionäre Ideologie zu werben.

Der Kopf der Organisation, Abou-Nagie, war stets bemüht, diese Fassade zu wahren. Dass der 52-Jährige laut NRW-Verfassungsschutz ein radikaler Islamist sein soll, der zur Gewalt gegen Ungläubige und Homosexuelle aufruft, den Märtyrertod preist und den Dschihad verehrt - diesen Eindruck wollte Abou-Nagie unbedingt vermeiden. Für Mathias Rohe, Rechts- und Islamwissenschaftler an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist das eine bekannte Methode. "Solche Gruppen treten in der Öffentlichkeit neutral und offen auf", sagt er. "Wenn sie merken, dass echtes Interesse besteht, läuft die Radikalisierung in Hinterzimmertreffen an."

Auf dem Youtube-Kanal spielt das Netzwerk den freundlichen Staubsaugervertreter. Dort gibt es das Starter-Paket zur Konversion, kurze Lernvideos für Jugendliche und die wichtigsten Infos zum Propheten. Einfach mal reinschnuppern. "Das zeugt geradezu von sozialarbeiterischen Fähigkeiten. Man wird von solchen Gruppierungen direkt in schwierigen Lebenslagen abgeholt", sagt Rohe. Die Prediger verweisen in ihren Videos immer wieder darauf, wie sehr Staat und Gesellschaft doch versuchen, ihren Glauben anzugreifen. "Das Verbot des Netzwerks ist auf jeden Fall zu begrüßen", sagt Rohe. "Aber sie werden andere Plattformen finden." Die Facebook-Seite der Organisation war am Dienstag nicht mehr erreichbar.

Abou-Nagie kennt nur Extreme. Wer nicht für ihn ist, arbeitet gegen ihn. Hier die Muslime, dort die Ungläubigen. Für ihn muss Homosexualität mit dem Tod bestraft werden. Die taz zitierte ihn dazu 2011 mit den Worten: "Das ist Allahs Gesetz." Abou-Nagie soll zudem einem SWR-Bericht zufolge junge Leute zusammen mit dem Hassprediger Pierre Vogel rekrutiert haben. Wie die dpa am Nachmittag berichtete, hält sich Abou-Nagie derzeit in Malaysia auf. Er will auch dort den Koran verteilen.

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