Russlands Olympiastadt Sotschi:Wolken über den Ringen

Lesezeit: 2 min

Der Hauptverdächtige im Mordfall Litwinenko will Sotschis Bürgermeister werden, derweil bröckelt die Finanzierung der Winterspiele in den Subtropen - selbst Putins Regierung wird nervös.

Sonja Zekri, Moskau

Für Olympische Spiele ist es die Regel, bei Wahlen in Russland die große Ausnahme: Wettbewerb.

Subtropisch gelegen, aber Ort der Winterspiele: Sotschi am Schwarzen Meer (Foto: Foto: AFP)

Am 26. April wählen die Einwohner Sotschis, der Olympia-Stadt des Jahres 2014, einen neuen Bürgermeister, und bislang haben höchst unterschiedliche Figuren ihr Interesse an dem prominenten Posten erklärt: Geradezu skandalträchtig könnte die Kandidatur Andrej Lugowois sein.

Lugowoi ist Mitglied der rechtspopulistischen LDPR und nach Überzeugung der britischen Regierung Hauptverdächtiger im Mord an dem Ex-Geheimdienstler Alexander Litwinenko in London.

Seit Großbritannien die Auslieferung Lugowois verlangt hat und Russland diese regelmäßig ablehnt, sind die russisch-britischen Beziehungen so beschädigt, dass Zeitungen sogar über einen Boykott der Spiele durch Großbritannien spekulieren, wenn Lugowoi Bürgermeister und Gastgeber würde.

Andere Medien empfahlen Lugowoi in einem Anflug schwarzen Humors alternativ die Eröffnung einer Teehaus-Kette. Litwinenko war mit Polonium 210 im Tee vergiftet worden.

Lugowois möglicher Gegenspieler Boris Nemzow, einer der Anführer der Oppositionsbewegung "Solidarität", wies hingegen auf den Wahnsinn hin, Winterspiele in den Subtropen abzuhalten.

Allein für das künstliche Eis werde bis zu 70 Prozent des städtischen Stroms benötigt, sagte er der Zeitung Nowaja Gaseta und versprach, als Bürgermeister den Bau eines Eispalastes und Frachthafens in der Imereti-Bucht zu verhindern.

Die Bürger dort protestieren seit Monaten gegen diese Pläne, denn sie sollen umgesiedelt werden, wissen aber nicht, wohin.

Kronjuwel in Putins patriotischem Vermächtnis

Ähnlich olympiakritisch gab sich auch der dritte hochkarätige Interessent, Alexander Lebedjew, Geschäftsmann, Herausgeber und Ex-Agent: Den größten Teil der Olympia-Projekte würde er streichen, in Sotschi nur die Eröffnung und das Abschlussfest abhalten und den Rest in Städte mit Sportarenen und genug Schnee verlegen, verkündet Lebedjew.

So, sagt er, ließen sich umgerechnet bis zu drei Milliarden Euro einsparen.

Bis zum 26. März müssen die Kandidaten ihre Bewerbungen einreichen. Für Sotschi beginnt das Zittern dann erst. Die Winterspiele im Kaukasus hatten das Kronjuwel in Wladimir Putins patriotischem Vermächtnis sein sollen.

Politisch aber schien der Standort bereits seit dem Krieg im benachbarten Georgien im vergangenen August zweifelhaft. Und in der Krise wurden die Winterspiele auch für Russland ein Klotz am Bein.

Für Bobbahnen und Olympisches Dorf, Sessellifte und Curling-Stadien hatte Moskau 13 Milliarden Euro versprochen, schließlich muss alles neu gebaut werden.

Unlängst aber räumte Vize-Regierungschef Dmitrij Kosak ein, dass Budget werde um 15 Prozent gekürzt.

Die privaten Investitionen schleppen sich dahin, weil für Oligarchen wie Oleg Deripaska nur noch ihre Schulden zählen, sodass Putin kürzlich die Unternehmer anherrschte, sie sollten sich endlich entscheiden, ob sie die Projekte fertigbauen oder dem Staat überlassen wollten.

Ökologischer Albtraum

Bisher sind nur drei von 104 Objekten in Betrieb genommen, sagte Regionalentwicklungsminister Wiktor Basargin. Ginge es nach den Umweltschützern, reichte das völlig.

Das Biathlon-Zentrum im alpinen Krasnaja Poljana, die Skipisten, die Hotels - in dem ohnehin belasteten Öko-System sind sie ein Albtraum.

Nun fuhr Umweltminister Jurij Trutjnew nach Sotschi, um sich ein Bild zu machen. Was er sah, übertraf alle Befürchtungen: "Unsere Baustellen sehen furchtbar aus", entfuhr es ihm.

© SZ vom 20. März 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: