Russland:Putins Kalkül

Die höhere Kunst einer gut geführten Pseudo-Demokratie ist es, den Bürgern scheinbar die Wahl zu lassen, aber eigentlich doch nicht.

Von Julian Hans

Höhere Kunst einer gut geführten Pseudo-Demokratie ist es, den Bürgern scheinbar die Wahl zu lassen, aber alle Alternativen so unattraktiv zu gestalten, dass sie selbst für die Opposition unannehmbar scheinen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat es in dieser Kunst zur Meisterschaft gebracht. Gerade hat er in seiner Jahrespressekonferenz wieder betont, wie wichtig eine starke Opposition für das Land sei. Aber, meine Lieben, doch bitte nicht so: auf die Straße laufen und rumschreien. Wo ist das Programm, wo sind die realen Taten?

Putin-Gegner Alexej Nawalny hat in diesem Jahr eine Kampagne geführt, wie sie das Land zuvor noch nicht erlebt hat. Er war mehr unterwegs im Land als der Präsident, hat Unterstützerstäbe in nahezu allen Regionen aufgebaut. Er hat den Boykott des staatlichen Fernsehens umgangen, indem er auf Youtube einen Kanal gegründet hat, der manchmal mehr Zuschauer hat als Angebote der Staatssender. Er hat ein Programm veröffentlicht, und am Sonntag haben ihn Unterstützer in 20 Städten als Kandidaten nominiert. Keine 24 Stunden später hat die Wahlkommission seine Kandidatur abgelehnt. Als Vorwand dient ein Verfahren, das mit Rechtsstaat so wenig zu tun hatte wie diese Wahl mit Demokratie.

Wenn Nawalny jetzt zum Boykott aufruft, hat Putin ihn wieder da, wo er ihn haben will, und seine Gefolgsleute gleich mit: die Opposition als Spielverderber.

© SZ vom 27.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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