Was jeder sehen kann, ist nun durch höchstrichterliche Rechtssprechung bestätigt: Wladimir Putin verfolgt seine Kritiker mithilfe der russischen Polizei und Justiz. Das Urteil am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fiel in letzter Instanz und kann nicht mehr angefochten werden. Der Oppositionsführer Alexej Nawalny, der in Straßburg geklagt hatte, kann sich durch die Entscheidung bestätigt fühlen. Leichter wird das Leben russischer Regimegegner dadurch nicht.
Fraglich ist vielmehr, wie lange sich Moskau noch den Regeln des Europarates und den Urteilen des EGMR unterwerfen wird. Seit Jahren führt das Land die Liste der von Straßburg gerügten Staaten an. Acht Millionen Euro sind jedes Jahr im russischen Haushalt für Strafzahlungen vorgesehen. Unter russischen Staatsbürgern genießt das Gericht das höchste Ansehen. Derweil droht die Regierung immer lauter, den Europarat zu verlassen.
Seit seiner Gründung war er Garant einer neuen Friedensordnung auf dem Kontinent. Nun sieht er sich durch die russische Führung vor die Wahl gestellt, auf welche Weise er an Bedeutung verlieren will: indem er seine Prinzipien abschreibt und gewaltsame Grenzverschiebungen toleriert - oder indem er handelt und riskiert, dass eine Schlüsselmacht die Zusammenarbeit aufkündigt.