Russland:Aufbegehren der Jungen

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(Foto: Andrew Lubimov/AP)

In ganz Russland folgen Tausende Menschen dem Aufruf des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny zu einem "Wahlstreik". Der Organisator selbst kann nur kurz an den Demonstrationen teilnehmen, ehe die Polizei ihn festnimmt.

Von Julian Hans

"Putin, du hast uns keine Wahl gelassen", steht auf dem Plakat. Ein Mann hält es in den grauen Winterhimmel über der russischen Hauptstadt. Alexander Kosnatschejew, 45, führt eine kleine Gartenbaufirma. "Wir wollen Veränderung", sagt er. "Wir wollen in einem zivilisierten Russland leben, in dem es Meinungsfreiheit gibt, in dem die Menschen normal ihren Geschäften nachgehen können." Dann fällt er in den Sprechchor ein: "Das sind keine Wahlen", rufen die Menschen, die sich unter dem nachdenklichen Blick der Puschkin-Statue in Moskau versammelt haben.

Im ganzen Land sind am Sonntag Menschen dem Aufruf des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny zu Kundgebungen für einen "Wahlstreik" gefolgt. In Jakutien waren es nur etwa zwei Dutzend, die sich bei minus 45 Grad auf die Straße stellten, in den Großstädten im europäischen Teil Russlands kamen Tausende, um gegen die Präsidentenwahl am 18. März zu protestieren, deren Sieger im Vorhinein feststeht.

Nawalny selbst konnte sich der Demonstration in Moskau nur kurz anschließen, bis die Polizei ihn festnahm. Nach der letzten Aktion im Oktober musste er wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz 20 Tage in Arrest. Auch diesmal waren die Kundgebungen angemeldet, er aber hatte die Routen nicht akzeptiert, die die Behörden ihm am Stadtrand von Moskau und St. Petersburg zugewiesen hatten, und zu Märschen durch die Innenstädte aufgerufen.

Die Polizei ließ Nawalny nach einigen Stunden wieder frei. Er müsse sich aber zur Verfügung halten, sagt seine Anwältin der Agentur Tass am späten Sonntagabend. Die Sicherheitskräfte setzten auf gezielte Schläge gegen die Organisatoren. Der Tag hatte mit Razzien in Nawalnys Stiftung zur Korruptionsbekämpfung und in seinem Moskauer Wahlkampfstab begonnen. Bis zum Abend kamen 260 Demonstranten in Gewahrsam. Seit die Wahlkommission im Dezember seine Kandidatur ablehnte, wollen seine Anhänger einen Wahlboykott organisieren. Erstmals schloss sich ein Bürgermeister einer Millionenstadt dem Aufruf an: "Das sind keine Wahlen, und deshalb darf man daran nicht teilnehmen", sagte Jewgenij Roisman in Jekaterinburg. Roisman steht der Opposition nahe, ging aber Kompromisse mit Moskau ein.

Der Moskauer Unternehmer auf dem Puschkin-Platz war auch nicht immer gegen Putin. Lange habe er ihn für den größten Politiker der Welt gehalten, Aber dann habe er Nawalnys Filme gesehen, seine Recherchen über die Korruption, die Mafia-Verbindungen der Mächtigen und den unfassbaren Luxus, in dem sie leben. "Aller Reichtum ist in den Händen weniger, mit Putin an der Spitze", schimpft er. Das Volk lebe in Armut.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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