Russland:Abschiebung ausgesetzt

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Als ein Gericht Anfang des Monats seine Abschiebung in sein Heimatland Usbekistan anordnete, beging der Journalist und bekennende Homosexuelle Ali Ferus einen Selbstmordversuch. (Foto: Pavel Golovkin/AP)

Obwohl Ali Ferus ein schwuler Berichterstatter eines Kreml-kritischen Blatts ist, ist er froh, vorerst in Russland zu bleiben - er hätte nach Usbekistan abgeschoben werden sollen.

Von Julian Hans, München

Nach internationalen Protesten wird der Journalist Ali Ferus vorerst nicht aus Russland in sein Heimatland Usbekistan abgeschoben. Ein Gericht in Moskau entschied am Dienstag, dass die Abschiebung so lange ausgesetzt wird, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über den Fall entschieden hat. Das könnte nach Aussage von Ferus' Anwalt bis zu zwei Jahren dauern. So lange soll der 30-Jährige in einer Einrichtung für vorübergehend geduldete Ausländer untergebracht werden, berichteten russische Medien.

Ferus ist Autor der Kreml-kritischen Zeitung Nowaja Gaseta. Anfang des Monats hatte ein Gericht die Abschiebung des Mannes verfügt, nachdem Polizisten ihn in der Nähe der Redaktion ohne gültigen Ausweis aufgegriffen hatten. Noch am Abend desselben Tages ordnete das Gericht seine Abschiebung an. Daraufhin versuchte Ferus auf dem Flur des Gerichts, sich mit einem Kugelschreiber die Pulsadern zu öffnen.

Nach eigener Darstellung war er 2008 aus Usbekistan geflohen, nachdem er von Mitarbeitern des Geheimdienstes bedroht und gefoltert worden war. Als Autor der Nowaja Gaseta hat er anstelle seines bürgerlichen Namens Hudobeidi Nurmatow das Pseudonym Ali Ferus angenommen.

Nachdem er 2012 seinen Pass verloren hatte, habe er vergeblich versucht, einen legalen Aufenthaltsstatus in Russland zu erwerben. Zwei Mal verweigerten ihm die russischen Behörden demnach eine Anerkennung als Flüchtling. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International beschreiben Usbekistan als ein Land, in dem Polizei und Geheimdienst nach Belieben foltern.

Seine Mutter und seine Geschwister leben ebenfalls in Russland und haben einen russischen Pass. Dass Ferus sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, setzt ihn zusätzlicher Gefahr in Usbekistan aus. Für die Nowaja Gaseta hatte er unter anderem Artikel über Migranten aus Zentralasien und über die Rechte von Homosexuellen geschrieben.

Die Redaktion der oppositionellen Zeitung hatte alles in Bewegung gesetzt, um die Abschiebung ihres Autoren zu verhindern. Auf einen Brief an Präsident Wladimir Putin reagierte ein Kreml-Sprecher mit den Worten, es habe "eine Reihe von Verstößen gegeben", vor denen man nicht die Augen verschließen könne. Der Menschenrechtsrat des Kreml erklärte indes, ein Abschiebung verstoße gegen die russische Verfassung.

Vergangenen Freitag schließlich forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Eilverfahren einen Stopp der Abschiebung, bis über den Fall entschieden sei. Im Gespräch ist unter anderem eine Aufnahme des Verfolgten in einem Land der Europäischen Union. Auch das Auswärtige Amt hatte sich eingeschaltet.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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