Rücktritt von Althaus: Reaktionen:"System Althaus war nicht nur Althaus"

Lesezeit: 4 min

Kanzlerin Merkel fordert eine große Koalition, die SPD ist offen, Linke und Grüne feiern den Rücktritt: Reaktionen auf den Rücktritt von Dieter Althaus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach dem Rücktritt von Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus die SPD zu Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufgefordert. Mit diesem Schritt sei aus ihrer Sicht für die Sozialdemokraten der Weg frei zur Aufnahme von Gesprächen mit der CDU, sagte Merkel am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Freiburg. "Es gibt jetzt keine Ausreden mehr, in ernsthafte Gespräche einzutreten", fügte Merkel hinzu. Die CDU-Vorsitzende wies zudem darauf hin, dass die SPD trotz der herben Wahlschlappe ihrer Partei am Sonntag lediglich drittstärkste Kraft in Thüringen nach CDU und Linkspartei wurde.

Rücktritt von Dieter Althaus
:Abgang eines Gescheiterten

Der Druck wurde einfach zu groß: Nach dem katastrophalen Ergebnis bei der Landtagswahl ist Dieter Althaus als Ministerpräsident und Chef der Thüringen-CDU zurückgetreten.

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nannte den Rücktritt "nicht unerwartet". "Er ist die Konsequenz aus den dramatischen Verlusten vom vergangenen Wochenende", sagte der Bundesaußenminister. Steinmeier sagte: "Ich gehe davon aus, dass die Union in Thüringen sehr kurzfristig jemanden bestimmt, der die Sondierungsgespräche bezüglich der Koalitionsbildung aufnimmt."

Neben Althaus-Stellvertreterin Birgit Diezel, 51, gelten auch Sozialministerin Christine Lieberknecht, 51, und der Fraktionschef und Althaus-Vertraute Mike Mohring, 37, als mögliche Nachfolger.

Der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie wertete den Rücktritt als ersten Schritt für eine personelle Erneuerung der Christdemokraten in Thüringen. "Nach der Wahl war offensichtlich, dass die CDU so nicht weitermachen konnte - weder inhaltlich noch personell", sagte Matschie.

An der Strategie der SPD ändere sich dadurch nichts. "Wir werden die Sondierungsgespräche wie geplant mit der CDU aber auch mit der Linken und den Grünen führen und danach entscheiden, mit wem wir Koalitionsverhandlungen aufnehmen", sagte Matschie. SPD-Chef Franz Müntefering nannte Althaus' Rücktritt eine "konsequente Sache". "Er und die CDU haben eindeutig bei den Wählern eingebüßt und insofern ist sein Rücktritt logisch."

Matthias Machnig (SPD), der in Thüringen in einer Regierung mit SPD-Beteiligung Wirtschaftsminister werden soll, sagte sueddeutsche.de : "Wir nehmen das zur Kenntnis. Das ist die logische Konsequenz aus dem Wahlergebnis."

Der ehemalige Wahlkampfmanager der SPD und Staatsekretär im Bundesumweltministerium gab zu Bedenken: "Das System Althaus bestand ja nicht nur aus Dieter Althaus." Es komme jetzt darauf an, wie es insgesamt zu einer neuen Politik in Thüringen kommen könne. "Die CDU muss jetzt klären, wer Verhandlungspartner ist."

Zur Frage, ob jetzt die Chancen für eine große Koalition in Thüringen besser stünden, sagte er: "Wir reden mit allen Parteien ergebnisoffen über eine Regierungsbildung. Für uns ist ein Dreiklang wichtig: Wachstum, Innovation und Gerechtigkeit." Thüringen sei ein Niedriglohnland, das mit Abwanderung zu kämpfen habe. Das müsse anders werden.

Entscheidend für eine Regierungsbildung sei, dass die inhaltlichen Grundlagen vorhanden seien. Das gelte für alle möglichen Partner. Erst wenn die Sondierungen abgeschlossen seien, würden Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Machnig: "Aber ich sage auch eines: Koalitionsverhandlungen sind noch keine Koalition."

Machnig riet den Beteiligten, zur Sachpolitik zurückzukehren: "Der Wahlkampf ist vorbei, alle müssen nun verbal abrüsten. Jetzt geht es um Sachgespräche und die müssen in konstruktiver und zielorientierter Atmosphäre stattfinden."

Ähnlich äußerte sich der Thüringer SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider. "Ich nehme die Entscheidung von Dieter Althaus mit Respekt zur Kenntnis. Er zieht damit die Konsequenz aus dem katastrophalen Ergebnis nach einem Wahlkampf, der ganz auf ihn ausgerichtet war und inhaltlich nichts zu bieten hatte", sagte er sueddeutsche.de. Der Rücktritt solle "Angela Merkel eine Mahnung sein. Die Menschen erwarten inhaltliche Angebote und nicht nur Kopfplakate".

Nicht verändert habe sich jedoch die Ausgangslage für die Sondierungen. "Die Gespräche beginnen morgen wie geplant. Wir werden mit Grünen, Linken und der CDU sprechen und danach entscheiden, mit wem wir Koalitionsverhandlungen aufnehmen."

Linke und Grüne reagierten euphorisch auf den Rücktritt. Der Thüringer Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow bezeichnete Althaus' Rücktritt als "tragisches Ende eines tragischen Ministerpräsidenten". Er vermute, dass Althaus auf Druck der Bundes-CDU gegangen sei. Dort habe man gesehen, dass die Thüringer CDU sich zu einem "Wahlhilfsverein von Althaus reduziert habe". Der Rücktritt sei überfällig gewesen. Das Wahlergebnis sei ein eindeutiges Votum gewesen, sagte er.

"Aber der Rücktritt allein reicht nicht aus", sagte Ramelow. Das Land brauche dringend einen Neuaufbruch. "Die CDU muss aus der Landesregierung abgewählt werden", forderte er. Dem Fernsehsender n-tv sagte Ramelow, die Linkspartei werde ohne Vorbedingungen in Koalitionsverhandlungen mit der SPD treten. Der Politikwechsel werde nicht an einer Personalie scheitern.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, warnte die SPD davor, auf eine große Koalition in Thüringen zu setzen. "Das ist möglich, aber das hieße, dass die SPD wieder ihre Wahlversprechen bricht", sagte Lafontaine der Saarbrücker Zeitung.

"Der Rücktritt war ein überfälliger Schritt", kommentierten auch Grünen-Chefin Claudia Roth und die thüringische Grünen-Vorsitzende Astrid Rothe-Beinlich in einer gemeinsamen Erklärung. Die Grünen hätten damit auch ihr zweites Wahlziel erreicht: "Dieter Althaus ist runter von seinem Thron."

Althaus' Abgang sei "die richtige Konsequenz aus dem rundum verunglückten Wahlkampf der CDU Thüringen", sagte Rothe-Beinlich. Allerdings mache sein Rücktritt allein noch keine erneuerte CDU. "Wir sind gespannt, was außerdem daraus folgt und ob und wie sich die CDU neu aufstellt."

Als konsequent bezeichnete FDP-Generalsekretär Dirk Niebel die Entscheidung.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hingegen dankte Althaus für seine "großartige Arbeit als Landesvorsitzender der CDU Thüringen und Ministerpräsident des Freistaates Thüringen". Die CDU respektiere seine "persönliche Entscheidung".

Horst Seehofer nannte den Rücktritt "schade, aber in der Politik sind das die Abläufe". Der bayerische Ministerpräsident sagte, er habe sich mit Althaus persönlich gut verstanden.

Sein hessischer Amtskollege Roland Koch (CDU) sagte, es sei "bedauerlich, dass die politischen Umstände so sind", dass Dieter Althaus den Rücktritt für nötig gehalten habe. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, ebenfalls CDU, nannte Althaus einen "zuverlässigen Partner und treuen Kämpfer für die Interessen der Menschen in Thüringen und im Osten Deutschlands".

Die saarländische CDU hat sich derweil demonstrativ hinter Regierungs- und Parteichef Peter Müller gestellt, der bei der Landtagswahl am Sonntag ebenfalls Verluste hinnehmen musste. "Peter Müller ist und bleibt unsere Nummer eins", sagte Generalsekretär Stephan Toscani. "Die CDU Saar steht geschlossen hinter ihm." Landesvorstand und Landtagsfraktion hätten Müller einstimmig gebeten, Sondierungsgespräche mit FDP, Grünen und SPD zu führen. "Wir wollen, dass Peter Müller die nächste Regierung führt", sagte Toscani.

© sueddeutsche.de/kler/AP/dpa/Reuters/af/woja/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: