Risiko-Experten:Die Stiko entscheidet

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Zweimal jährlich spricht die Impfkommission ihre Empfehlungen aus. Nicht immer stößt das Votum der Fachleute auf Zustimmung

Von Kim Björn Becker

Die Impfung dauert nur ein paar Sekunden: Haut desinfizieren, die Schutzkappe von der Spritze ziehen, und dann ist es nur noch ein kleiner Piks - mal etwas schmerzhaft, mal kaum zu spüren. Hinter jeder Impfung, die in Deutschland verabreicht und von der Krankenkasse bezahlt wird, steht gewissermaßen Thomas Mertens. Er ist Professor für Virologie am Universitätsklinikum Ulm und derzeit Vorsitzender der Ständigen Impfkommission, kurz Stiko. Das Gremium ist dem Robert-Koch-Institut in Berlin angegliedert, das wiederum direkt dem Bundesgesundheitsministerium unterstellt ist. Zweimal im Jahr treffen sich die 18 Mitglieder der Stiko, um Empfehlungen abzugeben, welche Impfungen sinnvoll sind und welche nicht.

Seit Dezember 2013 ist ein Impfstoff verfügbar

Auf Grundlage dieser Empfehlungen erhalten schon Kleinkinder Schutz gegen teils hochgefährliche Infektionskrankheiten wie Masern, Keuchhusten, Röteln oder Mumps. Die Stiko empfiehlt zum Beispiel, in welchem Alter die Versicherten geimpft werden sollten und wie oft der Schutz bei Bedarf aufgefrischt werden muss. Für Berufstätige wie Mediziner und Polizisten, die regelmäßig mit fremden Menschen in Kontakt kommen, empfiehlt die Stiko zusätzliche Impfungen - ebenso für Fernreisende, die aber in der Regel selbst für die Kosten des Vakzins aufkommen müssen.

Bei ihren Empfehlungen wägt die Stiko zahlreiche Aspekte ab. Bei jedem zugelassenen Impfstoff schauen sich die Experten die Datenlage an: Wie wirksam ist der Stoff laut den vorliegenden Studien? Welche Nebenwirkungen treten auf? Und stehen diese im Verhältnis zu den Folgen einer entsprechenden Erkrankung? So galt die Pockenimpfung zwar als besonders belastend für den Körper, viele Geimpfte hatten tagelang starke Schmerzen an der Einstichstelle. Allerdings starben an der seit 1979 ausgerotteten Krankheit im Schnitt auch 30 Prozent aller Erkrankten, bei den Geimpften waren es nur vier Prozent - trotz der Nebenwirkungen also ein starkes Argument für den Piks.

Allerdings entscheidet sich die Stiko im Zweifelsfall nicht immer für die Impfung. So gehört der Schutz vor einer Infektion mit Meningokokken vom Typ C zwar zur Grundimmunisierung im zweiten Lebensjahr. Einige Kinder erkranken aber auch an einer Infektion vom Typ B, der ebenfalls zu einer Hirnhautentzündung führen kann. Seit Dezember 2013 ist ein Impfstoff dagegen verfügbar - doch die Stiko rügt, dass die bisherigen Studienergebnisse für eine Empfehlung "noch nicht ausreichen".

Zudem spielt es bei einer positiven Empfehlung auch immer eine Rolle, ob sich die Impfung gut in den bestehenden Impfkalender einfügen lässt. Das bewährte Schema sollte laut Experten gerade bei Säuglingen streng eingehalten werden. Die Stiko empfiehlt mehrere Impfungen innerhalb des ersten Lebensjahres, teils im Abstand von wenigen Wochen. Würde eine zusätzliche Impfung, die für sich genommen sinnvoll ist, zu Wechselwirkungen mit anderen Vakzinen führen, könnte das ein Argument gegen eine Empfehlung sein.

Ob die empfohlenen Impfungen auch von der Kasse bezahlt werden, entscheidet die Stiko allerdings nicht selbst. Dafür ist der Gemeinsame Bundesausschuss zuständig, ein Gremium, in dem Vertreter von Kassen und Ärzten sitzen. Meist folgt der Ausschuss den Empfehlungen der Stiko - wenn nicht, dann muss er dies ausführlich begründen.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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