Richtfest am Holocaust-Mahnmal:Wenn nicht nur Steine sprechen

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Er ist kein politisch korrekter Mensch und zum eigenen Jüdischsein hat er ein zwiespältiges Verhältnis. Peter Eisenman, der Architekt des Holocaust-Mahnmals in Berlin, ist ein sehr eigener Mensch. Leicht wurde es ihm bei seinem Projekt nie gemacht, jetzt feiert das Mahnmal Richtfest.

Von Constanze von Bullion

Ein echter Genießer ist dieser Peter Eisenman. Und wenn man ihn so stehen sieht, ohne Mantel und mit Fliege mitten im Sand, wie er fröhlich in den Nieselregen lacht und sich freut an seinem Werk, könnte man meinen, der Mann spricht über seine Geliebte. "Unglaublich schön", sagt er und streicht zärtlich über den kalten Beton.

Stolzer Architekt: Peter Eisenman. (Foto: Foto: ddp)

"Dieses Absinken und Anschwellen, das ist das Allertollste." Dann dreht er sich um und stapft los, immer tiefer hinein in den finsteren Stelenwald, bis er irgendwann ganz unten steht, zwischen haushohen Zementwänden, die den Besuchern die Sicht nehmen und ein wenig auch die Luft. Hier unten hört man es, sagt Eisenman und strahlt. Hier ist es still, und die Steine sprechen.

Boxende Kameraleute am Ort der Stille

Es ist dann natürlich doch nicht ganz still, denn die Kameraleute boxen sich gegenseitig in die Rippen, um noch ein paar Bilder vom Architekten des Holocaust-Mahnmalszu kriegen, der am Montag zum Richtfest nach Berlin gekommen ist. Die Hälfte der 2751 Stelen des Denkmals für die ermordeten Juden Europas ist aufgestellt, der unterirdische "Ort der Information" ist im Rohbau fertig, und wenn alles glatt geht, kann das Denkmal im Mai 2005 eingeweiht werden, zum 60. Jahrestag des Kriegsendes.

Doch das Mahnmal wäre nicht das Mahnmal, gäbe es nicht schon wieder Debatten, diesmal um den Eröffnungstermin. Am 8. Mai, dem Tag der Kapitulation, ist der Kanzler schon mit Gedenken im Bundestag beschäftigt. Am 9. Mai feiert er mit den Russen in Moskau, das Denkmal am Brandenburger Tor wird womöglich warten müssen. Macht nichts, sagt der Architekt, der sich das Richtfest nicht verderben lassen will.

Dies sei ein glücklicher Tag, versichert Eisenman, allerdings gehe es heute gar nicht um ihn. Heute würden hier die Arbeiter gefeiert, die in Millimeterarbeit die gut 1400 Stelen auf Betonsockel montiert haben, jeden einzelnen in einem anderen Neigungswinkel. In sanften Wellen soll sich die Oberfläche des Mahnmals eines Tages wiegen, doch davon sieht man nicht allzu viel. Noch nicht, sagt Eisenman.

Ein Meer, das über den Kopf hinaus wächst

Aber es sei doch phantastisch, wie man den Bau schon erspüren könne: Wie sich die Atmosphäre verändert, wenn man das Gelände betritt. Erst sieht es ganz harmlos aus, ein Meer grauer Quader, die nur kniehoch sind und einem dann langsam über den Kopf wachsen. "Und wenn man in der Mitte ist, wird alles schwierig."

Eisenman ist zu sehr in Fahrt, um zu erwähnen, wie viele Kompromisse er hat schließen müssen. So hatte er ursprünglich keine Lust, seinem stillen Denkmal einen redseligen "Ort der Information" anzubauen. Ein bisschen Erklärung müsse schon sein, befand dagegen der Bundestag. Eisenman gab nach. Dann hatte er die Idee, den nahen Goebbels-Bunker zu integrieren. Man riet ihm dringend ab.

Oder dieser Plan, zwischen den schwarzen Stelen eine einzelne weiß zu lassen, als Symbol für das Anderssein und die Unterschiedlichkeit der Opfer des Dritten Reiches. Da protestierte die Denkmals-Kommission, die lange dafür gestritten hat, das Denkmal ausschließlich den Juden zu widmen.

Peter Eisenman hat sich in Gelassenheit geübt bei all den Disputen. Er sei kein politisch korrekter Mensch, sagt er gern, und zum eigenen Jüdischsein habe er ein eher zwiespältiges Verhältnis. Und als sich die Republik darüber stritt, ob das Mahnmal von der Firma Degussa gebaut werden dürfe, die im Dritten Reich am Zahngold ermordeter Juden verdiente, meldete sich der Architekt mit einer Anekdote. Sein Zahnarzt habe erzählt, dass seine Plomben von Degussa stammten, ob er die herausnehmen solle.

"Ich hoffe, dass einige Leute mich mögen"

Eisenman hat sich entschuldigt damals und tut es jetzt noch einmal. Er habe niemanden verletzten wollen, auch die Jüdische Gemeinde der Stadt nicht, deren Vorsitzender seinen Bau kurzerhand zum "Horror" erklärt hat. "Ich hoffe, dass einige Leute mich mögen, offenbar ist das im Moment schwierig", sagt der Architekt, bevor er abtaucht in den unterirdischen "Ort der Information".

Einen Raum der Stille wird es hier geben und ein Zimmer, in dem an die Geschichte von 15 Familien erinnert wird, die verfolgt wurden. Über Mordstätten und Mörder wird hier informiert und über 720 Einzelschicksale aus ganz Europa. Heute aber ist es noch laut in Eisenmans stillem Denkmal. Der Polier sagt ein Gedicht auf, er zerschmeißt ein Glas. Dann wird gefeiert.

© SZ vom 13.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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