Regierungskrise in Tschechien:Sonderermittler nehmen Vertraute von Premier Necas fest

Lesezeit: 2 min

Tschechiens Premier Necas hat schon viele Kabinettskollegen gehen sehen, doch jetzt erlebt das Land ein politisches Erdbeben: Eine Sondereinheit für organisierte Kriminalität besucht den Regierungschef mitten in der Nacht, nimmt später unter anderem seine Kabinettschefin fest. Ihr wird Bespitzelung vorgeworfen - von Necas' Ehefrau.

Die tschechische Polizei hat mehrere Vertraute und Parteifreunde von Ministerpräsident Petr Necas festgenommen. Bei einer massiven Razzia wegen Korruptionsverdachts durchsuchten Beamte am Donnerstag Büros in der Regierungszentrale und im Verteidigungsministerium.

Zu den Festgenommenen zählten nach Berichten tschechischer Medien Ex-Agrarminister Ivan Fuksa, der frühere Abgeordnete Petr Tluchor sowie die Kabinettschefin von Ministerpräsident Necas, Jana Nagyova.

Nagyova soll die Bespitzelung der Ehefrau von Necas veranlasst haben. Dem Militärgeheimdienst-Chef Milan Kovanda und seinem Vorgänger Ondrej Palenik wird laut der Nachrichtenagentur CTK vorgeworfen, die Aktion verantwortet zu haben. Erst vor wenigen Tagen hatte Ministerpräsident Necas den Antrag zur Scheidung von seiner Ehefrau Radka Necasova in die Wege geleitet.

Opposition kündigt Misstrauensvotum an

Die oppositionellen Sozialdemokraten haben nach der Polizeiaktion ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Necas angekündigt. Sollte Necas nicht von sich aus zurücktreten, werde seine Partei einen Abwahlantrag gegen den Regierungschef stellen, sagte ein führender Parteifunktionär in Prag.

Der Ministerpräsident sagte in einer kurzen Stellungnahme, er sehe keinen Grund zu einem Rücktritt. Kabinettschefin Nagyova genieße trotz ihrer Festnahme sein volles Vertrauen. "Ich fordere die Polizei auf, alle Umstände (des Einsatzes) zu erklären", sagte der liberal-konservative Politiker. Den Tag über war der Regierungschef für mehrere Stunden aus der Öffentlichkeit verschwunden. Es kamen Gerüchte über seinen Gesundheitszustand auf, denen Necas später selbst aber widersprach.

Auch Häuser von Lobbyisten durchsucht

Hunderte Polizisten einer Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität nahmen an der Razzia teil. Bereits mitten in der Nacht zuvor soll Regierungschef Necas Besuch von zwei Staatsanwälten und dem Leiter der Sondereinheit Besuch bekommen haben, sagte Innenminister Jan Kubice vor dem Parlament.

Die beiden festgenommenen Politiker Fuksa und Tluchor hatten im November 2012 ihre Parlamentsmandate niedergelegt und damit ihren Protest gegen ein Steuerpaket der Regierung aufgegeben. Kurz darauf wechselten sie auf lukrative Aufsichtsposten in Staatsbetrieben.

Medien berichteten, dass in Prag auch Häuser von zwei einflussreichen Lobbyisten durchsucht würden. Präsident Milos Zeman berief für Freitag eine Krisensitzung mit Ministerpräsident Necas, dem Polizeipräsidenten Martin Cervicek sowie Vertretern der Opposition ein.

Wenig offizielle Informationen

Die Behörden hielten sich zu den Hintergründen der Razzia aber bedeckt. Die Opposition forderte vom Regierungschef eine Erklärung. "Das ist eine ganz neue Dimension", erklärte der linke Ex-Ministerpräsident Jiri Paroubek und forderte Neuwahlen. "Dies könnte der größte Skandal der letzten 20 Jahre werden", sagte der Sozialdemokrat Jeronym Tejc.

Der Bürgerdemokrat Necas steht seit Juni 2010 an der Spitze einer Dreiparteienkoalition. Der Physiker überstand bereits mehrere ernste Koalitionskrisen. Mehr als ein Dutzend Minister mussten zwischenzeitlich abtreten. Im Abgeordnetenhaus kann sich die Regierung auf keine sichere Mehrheit stützen.

© Süddeutsche.de/dpa/jasch/ratz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: