Regierungskrise in Kroatien:Wie Kroatiens Regierung sich selbst zerfleischt hat

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  • Das Regierungsbündnis der konservativen HDZ und der Protestpartei Most ist zerbrochen.
  • Eine Mehrheit im Parlament stimmte für ein Misstrauensvotum gegen Premier Orešković.
  • Auch unabhängig von Neuwahlen wird die politische Arbeit in Kroatien schwierig, denn das Land ist gespalten.

Von Nadia Pantel, München

Fast zwei Monate hatte die neue kroatische Regierung gebraucht, um überhaupt zusammenzufinden. Ein zäher Einigungsprozess, auf den dann ein recht rascher Selbstzerfleischungsprozess folgte. Nach weniger als sechs Monaten ist das Bündnis der konservativen HDZ und der Protestpartei Most zerbrochen.

Übrig bleiben ein der Korruption bezichtigter Parteivorsitzender, eine Neu-Partei, die ihre Versprechen nicht umsetzen konnte, ein Pharmamanager, der einen kurzen Gastauftritt als Premierminister hatte und ein Land, das sechs Monate von Politikern geführt wurde, die eher mit sich als mit der Umsetzung politischer Reformen befasst waren. Die Regierung war als erneuernde Kraft angetreten, sie dürfte als Chaos-Regierung in Erinnerung bleiben.

Die Chronologie der Demontage geht so: Ende Mai fordert Most den Rücktritt von Vizepremier Tomislav Karamarko. Er ist Vorsitzender der HDZ, somit Chef des großen Koalitionspartners von Most und gleichzeitig, hinter den Kulissen, der mächtigste Mann der Regierung. Gegen Karamarko wird ermittelt, weil er sich mithilfe seiner Frau bei der Privatisierung der kroatischen Energieversorgung bereichert haben soll. Most war als Anti-Korruptionspartei angetreten. Karamarko zu unterstützen wäre da nur schwer zu rechtfertigen.

Der parteilose, nicht gewählte und politisch erfahrungsfreie Premierminister Tihomir Orešković bemühte sich zu schlichten. Seine Idee: Karamarko und der Most-Vorsitzende treten beide zurück, der Streit wird für beendet erklärt, um dann endlich mit der politischen Arbeit zu beginnen. Es kam anders. Karamarko trat am Mittwoch zurück, allerdings nicht, weil er irgendein Fehlverhalten einräumte, sondern weil für ihn "das Nicht-Funktionieren der Regierung untragbar" sei.

Kroatien ist gespalten

Am Donnerstag wurde dann der letzte Akt der Selbstzerfleischung aufgeführt: ein Misstrauensvotum gegen den Premier. Nach seiner Kritik an Karamarko hatte Orešković die Unterstützung der HDZ verloren, auch die Mehrheit der Opposition will den ehemaligen Pharmamanager nicht länger im Amt sehen. Am Donnerstag stimmte das Parlament mit überwältigender Mehrheit für die Absetzung von Orešković und für die Auflösung seiner Regierung.

Die sozialdemokratische SDP hofft nun auf Neuwahlen und einen daraus resultierenden Machtwechsel. Die konservative HDZ hingegen setzt darauf, dass sie auch ohne Wählervotum eine neue Regierung bilden kann. Als möglichen zukünftigen Premier hat die HDZ den jetzigen Finanzminister Zdravko Marić vorgeschlagen. In einer Ipsos-Umfrage vom April wurde der 39-jährige promovierte Wirtschaftswissenschaftler als zweitpopulärstes Regierungsmitglied genannt. Der beliebteste Politiker war damals der Nicht-Politiker Orešković, mit dem die Mehrheit des kroatischen Parlaments nun nicht mehr zusammenarbeiten möchte.

Doch auch unabhängig von Neuwahlen wird die politische Arbeit in Kroatien künftig schwierig werden. Das Land ist gespalten. In ihrer kurzen Zeit an der Regierung hat die HDZ dem Land einen klaren Rechtsschwenk verordnet. Lauter als der regierungsinterne Streit waren in den vergangenen Wochen nur die nationalistischen Töne. Journalisten und Künstler beklagen sich, dass kritische Projekte nicht mehr gefördert werden und unliebsame Berichterstattung unterbunden wird. Prominente kroatische Journalisten, darunter die profilierte linksliberale Kolumnistin Tatjana Gromača der großen Tageszeitung Novi List, wurden entlassen.

Zum Symbol der nationalistischen Politik ist der Kulturminister Zlatko Hasanbegović geworden. Der Historiker sympathisiert mit einer revisionistischen Lesart der kroatischen Geschichte, die die Verbrechen des faschistischen Ustascha-Staats relativiert. Die Politik von Hasanbegović führte dazu, dass die jüdischen Gemeinden Kroatiens im April zum ersten Mal nicht gemeinsam mit Mitgliedern der Regierung des Mordes an Zehntausenden Juden, Roma und Serben im kroatischen Konzentrationslager Jasenovac gedenken wollten. Hasanbegović hatte zuvor suggeriert, dass die Zahl der Ermordeten übertrieben sei.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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