Regierungserklärung:Prekäre Einheit

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Im Bundestag erläutert Angela Merkel emotionslos ihre Flüchtlingspolitik. Und die Union verkneift sich ebenso betont jede Kritik.

Von Nico Fried

Normalerweise ist eine Bundestagsdebatte ein Für und Wider von Regierung und Opposition. Aber wenn sich, wie in der Diskussion um den Umgang mit dem Flüchtlingsandrang nach Deutschland, eine starke Opposition inmitten der größten Regierungsfraktion bildet, rücken CDU und CSU automatisch in den Fokus. Angela Merkels Flüchtlingspolitik stellt die Union auf die Probe. Der Frontalwiderstand von CSU-Chef Horst Seehofer hat viele Anhänger in seiner eigenen kleinen bayerischen Volkspartei - und aus der Sicht Merkels zu viele Anhänger in den Reihen ihrer CDU.

Die Kanzlerin selbst verlegte sich in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag auf eine nüchterne Bestandsaufnahme sowohl der Herausforderung wie auch der ihrer Meinung nach notwendigen Antworten darauf: natürlich die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Deutschland, aber auch Bekämpfung der Fluchtursachen, mehr Geld für bestehende Flüchtlingslager in Syriens Nachbarstaaten, engere Kooperation mit der Türkei, Erstaufnahmezentren in Griechenland und Italien. Da war nichts Neues dabei - und noch dazu fehlte es diesmal an der Emotion, mit der Merkel zuletzt ihre Einlassungen zur Flüchtlingspolitik begleitet hatte. Viel Applaus bekam die Kanzlerin immer dann, wenn sie Entschlossenheit bei schnelleren Verfahren und Abschiebung forderte. Am längsten - genau 25 Sekunden - klatschten die Unionisten, nachdem Merkel Innenminister Thomas de Maizière für seinen Einsatz gedankt hatte.

Die Rede des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder war, wie man in solchen Fällen gerne sagt, eine Rede nach innen, in die eigenen, freilich allenfalls zur Hälfte gefüllten Reihen von CDU und CSU. Kauder ging manchen Umweg, kam aber immer am selben Punkt raus: beim Bekenntnis zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin.

Auch Gerda Hasselfeldt steht zu Merkels Flüchtlingspolitik

Umweg 1: Kauder führte seine eigene Zeit als "junger Beamter in einem Landratsamt" an, als auch er mit Sportvereinen habe reden und Turnhallen habe besetzen müssen, um Menschen zu beherbergen - da Kauder in den Achtzigerjahren stellvertretender Landrat war, dürften vor allem Aus- und Übersiedler gemeint gewesen sein. Jedenfalls sei da "natürlich die Versuchung auch mal groß, in die kritischen Fragen einzustimmen". Er aber könne nur sagen: "Das hilft nichts." Und die Menschen erwarteten in einer Situation der Unsicherheit nicht, "dass wir sie in ihrer Unsicherheit bestätigen, sondern dass wir ihnen sagen: Wir haben die Kraft in diesem Land, um dieses Problem zu lösen."

Umweg 2: Er höre ja manche Kritik an Ungarn. Aber dann müsse man andere osteuropäische Staaten ebenfalls kritisieren. So würden vom slowakischen Regierungschef Dinge gesagt, "die sind genauso unerträglich und nicht akzeptabel" - entscheidend war hier freilich der Begriff "genauso", weil er den Hinweis enthielt, dass Kauder auch das Gebaren des Ungarn Viktor Orbán verurteilt, jenes Ministerpräsidenten, der am Vortag von der CSU in Kloster Banz begeistert empfangen worden war.

Für diese CSU sprach Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenchefin. Sie hatte sich in Kloster Banz am Vortag massive Kritik anhören müssen, gegenüber der Kanzlerin zu zahm aufzutreten. Doch Hasselfeldt blieb unbeirrt. Die Einladung Orbáns verteidigte sie pflichtschuldigst - ansonsten aber kein Wort der Distanzierung von Merkels Flüchtlingspolitik.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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