Die Länder des Schengen-Raums können künftig Grenzkontrollen wieder einführen, wenn sie die massenhafte Ankunft von Flüchtlingen befürchten. Die EU-Staaten, das Europaparlament und die EU-Kommission einigten sich auf einen solchen Notfallmechanismus, wie EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag in Brüssel mitteilte.
Durch die Einigung wird es den Mitgliedstaaten möglich, die nationalen Grenzen für bis zu zwei Jahre zu schließen. Die EU-Innenminister wollen den Abschluss der lange blockierten Verhandlungen mit dem EU-Parlament Ende kommender Woche bei einem Treffen in Luxemburg offiziell bestätigen.
Schon vorher konnte ein Land im Alleingang bei geplanten und unvorhersehbaren Ereignissen, wie einer Fußball-Europameisterschaft oder einem Terroranschlag, seine Grenzen schließen und die Reisefreiheit einschränken, wenn es die innere Sicherheit in Gefahr sah. Die EU-Staaten hatten die Möglichkeit zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Europa auch für den Fall gefordert, wenn sie das Funktionieren des Schengen-Raums etwa durch die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge bedroht sehen.
Empfehlung des Rates als Vorbedingung
Voraussetzung ist, dass ein Schengen-Staat trotz EU-Hilfe seine Außengrenzen nicht mehr schützen kann und die innere Sicherheit anderer Staaten "massiv bedroht" ist. Auslöser der Neuregelung waren die Ankunft zahlreicher Flüchtlinge aus Nordafrika während des Arabischen Frühlings sowie Probleme Griechenlands bei der Sicherung seiner Grenze zur Türkei.
Die Kommission werde kontrollieren, dass die neue Möglichkeit für Grenzkontrollen nicht durch die nationalen Regierungen missbraucht werde, sagte Malmström. Die Schwedin hatte in der Vergangenheit die Befürchtung geäußert, dass die Regierungen ihre Grenzen aufgrund von populistischem Druck aus dem Inland schließen könnten. Malmström hatte daher gefordert, der Kommission bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen das letzte Wort zu geben, war damit aber am Widerstand der EU-Staaten gescheitert.
Heftige Kritik an dem Beschluss kam von den Grünen. "Das Europaparlament hat bei der Verteidigung einer der wichtigsten Errungenschaften der EU kläglich versagt", erklärte die Europaabgeordnete Ska Keller. "Es erlaubt den Mitgliedsländern, die Axt an Schengen anzulegen." Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte sich zufrieden. Die Entscheidung zeige, "dass wir in Europa auch hier in der Lage sind, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken."
Will ein Land nach der neuen Regelung seine Grenzen schließen, ist dafür eine Empfehlung des Rates - also der Versammlung aller EU-Länder - Vorbedingung. Die Einigung muss noch vom Parlament und den EU-Ländern angenommen werden, dies gilt aber als Formalie.