Rechtsextreme:Populisten ohne Wahlvolk

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Marine Le Pens Front National hat im Vergleich zur Präsidentenwahl im April etwa vier Millionen Wähler verloren.

Von Leo Klimm

Marine Le Pen liegt vorne - und doch fällt es ihr bei den ersten Auftritten nach dem Wahlsonntag sichtlich schwer, ihr übliches Grinsen aufzusetzen. Im eigenen Stimmkreis in Nordfrankreich mag die Chefin des rechtsextremen Front National (FN) vor dem zweiten Wahlgang mit 46 Prozent der Stimmen fast uneinholbar in Führung liegen. Doch das landesweite Ergebnis ihrer Partei bei der Parlamentswahl ist ein herber Dämpfer: Mit 13,2 Prozent schneidet der FN sogar etwas schlechter ab als bei der Wahl vor fünf Jahren. Nachdem die FN-Chefin im April in der ersten Runde der Präsidentenwahl noch 21,3 Prozent geschafft hatte, ist das eine Überraschung - aus FN-Sicht eine böse.

Zwar ist die rechte Partei bei der Parlamentswahl traditionell schwächer als bei der Präsidentenkür. Doch diesmal ist der Effekt besonders ausgeprägt: In absoluten Zahlen ausgedrückt hat der FN mehr als vier der 7,7 Millionen Stimmen vom April verloren. "Das ist unbestreitbar eine Enttäuschung", sagt Le Pens Wahlkampf-Chef Nicolas Bay, der selbst damit gescheitert ist, ein Mandat zu erringen. Läuft es schlecht für Le Pen, so könnte sie sich als FN-Abgeordnete in der neuen Nationalversammlung bald ziemlich allein fühlen.

Auf die Frage nach den Ursachen für den Rückschlag verweist sie auf das Wahlrecht, das die Stimmenverhältnisse verzerre, und auf "die katastrophale Wahlenthaltung". Tatsächlich, so zeigen die Wahlanalysen, sind viele FN-Anhänger nach Le Pens Niederlage bei der Präsidentschaftswahl diesmal lieber zu Hause geblieben.

Die Schlappe befeuert den Streit um den Kurs der Partei

Doch die Enttäuschung erfasst auch die Partei selbst - und führt zu internen Spannungen. Zum einen musste Le Pen taktische Fehler einräumen, nachdem sie im TV-Duell gegen Emmanuel Macron vor der Präsidentenwahl sehr aggressiv aufgetreten war und damit Wähler verschreckt hatte. Zum anderen schwelt in der Partei ein tief gehender Streit über den Kurs. Viele Parteikader werfen Le Pen und ihrem Vize Florian Philippot vor, mit der Kernforderung nach einem Euro-Austritt Frankreichs schadeten sie dem FN. Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen, die bisher einen von zwei FN-Sitzen in der Nationalversammlung innehatte, hat sich im Streit mit Philippot aus der Politik zurückgezogen.

"Die Euro-Frage gehört zu den abschreckenden Themen für einen Teil unserer Wählerschaft", räumt Kampagnenchef Bay ein. Seine Partei müsse "eine Strategie erarbeiten, um stärker zu einen. Außerdem müssen wir unser Programm und unsere Organisation hinterfragen". Das FN-Ziel bei der Wahl zur Nationalversammlung bestand darin, die konservativen Republikaner als stärkste Oppositionspartei rechts von Präsident Macron abzulösen. Mit Siegen in den 45 Stimmkreisen, die der FN vor der Wahl als "gewinnbar" eingestuft hatte, wäre die Partei dem Ziel näher gekommen. Nun aber dürften die Rechten höchstens fünf Abgeordnete stellen. Zudem drohen sich ihre notorischen Geldsorgen zu verschärfen, weil die Parteienfinanzierung an die Stimmenzahl bei der Parlamentswahl gekoppelt ist.

Marine Le Pen versucht, die heraufziehenden Probleme so gut es geht zu ignorieren. "Wir haben uns nichts vorzuwerfen", sagt sie. Bis Sonntag muss sie noch Wahlkampf machen. Also wettert sie wie gewohnt gegen Macron und dessen "Unterwerfung unter die Sparpolitik von Madame Merkel".

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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