Reaktor-Vorfälle:Kripo ermittelt in Kernkraftwerk Krümmel

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Polizisten sind beim stillgelegten Atomkraftwerk Krümmel aufgetaucht, um einen Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft zu vollstrecken: Vattenfall wollte den Namen eines Zeugen nicht nennen. Der unter Druck geratene Stromkonzern ließ die Befragung des Mitarbeiters nach dem richterlichen Beschluss jetzt zu.

Ralf Wiegand

Die Leitung des Kernkraftwerks Krümmel hat der Staatsanwaltschaft Lübeck den Namen eines Zeugen des Brandes nur auf richterliche Anordnung mitgeteilt.

"Beamte der Kriminalpolizei haben das Atomkraftwerk aufgesucht", sagte Klaus-Dieter Schultz von der Staatsanwaltschaft Lübeck, die einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss beim Amtsgericht Schwarzenbek erwirkt hatte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen des Verdachts fahrlässiger Körperverletzung im Zuge eines Brandes in der schleswig-holsteinischen Atomanlage. Am 28. Juni hatte einer von zwei Transformatoren im Kernkraftwerk Krümmel Feuer gefangen, Rauch war daraufhin in den Leitstand der Anlage eingedrungen.

Brandermittlungen nimmt die Staatsanwaltschaft automatisch auf; als bekannt wurde, dass ein Mitarbeiter eine Atemschutzmaske aufsetzen musste, begann die Behörde auch wegen möglicher fahrlässiger Körperverletzung zu ermitteln.

Zweimal, am vergangenen Dienstag und Mittwoch, habe die Staatsanwaltschaft über Beamte der Kriminalpolizei versucht, den Namen des betroffenen Mitarbeiters zu erfahren. "Aber uns wurde die Auskunft verweigert'", sagte Schultz.

Erst als die Kripobeamten am Freitagmorgen gegen elf Uhr mit einem Durchsuchungsbeschluss in Krümmel auftauchten, gab die Leitung des Kraftwerks den Namen heraus. Die Büros, so Schultz, hätten daraufhin nicht mehr durchsucht werden müssen, "es sind keine Unterlagen beschlagnahmt worden".

Der Geschäftsführer des Kraftwerk-Betreibers Vattenfall, Bruno Thomauske, bestritt, dass das Unternehmen Ermittlungen behindert habe. Am Donnerstagabend sei der Versuch, Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufzunehmen, gescheitert.

Landesminister "verwundert"

"Ich weiß nicht, wann die es hier versucht haben", sagte Staatsanwalt Schultz, "jedenfalls nicht zu unseren Geschäftszeiten. Unser Fax ist 24Stunden eingeschaltet, ein Fax kam aber nicht."

Schleswig-Holsteins Justizminister Uwe Döring (SPD) sagte der SZ, er sei "verwundert, dass ein Unternehmen, dass von Transparenz spricht, die Transparenz in einem Ermittlungsverfahren verweigert".

Unterdessen hat sich der schleswig-holsteinische Landtag mit einem möglichen Verfahren zum Lizenzentzug für Vattenfall beschäftigt. Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD), deren Behörde für Reaktorsicherheit zuständig ist, forderte die Herausgabe einer bisher unveröffentlichten Mängelliste des ebenfalls von Vattenfall betriebenen Kernkraftwerks Brunsbüttel.

Dort war es am selben Tag wie in Krümmel sowie danach ebenfalls zu Störungen gekommen, die der Betreiber nur zögernd zugegeben hatte. Trauernicht sagte, Vattenfall habe "das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit öffentlich und politisch verspielt", das reiche aber nicht für einen Lizenzentzug. Das Kieler Ministerium dringt auf ein penibles Verfahren.

Man fürchtet offenbar hohe Schadensersatzforderungen durch den Betreiber Vattenfall, falls ein mögliches Urteil anfechtbar wäre. Die Grünen forderten unterdessen den Rücktritt von Trauernicht, deren Behörde mit der Situation "überfordert" sei. Dagegen sagte der DU-Fraktionsvorsitzende Johan Wadephul, die Zwischenfälle dürften nicht instrumentalisiert werden, um Kernenergie grundsätzlich in Frage zu stellen.

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