Reaktionen:"Grund zum Jubeln", "trauriger Abend", "wir sind wieder da"

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Hannover: Enttäuschte Anhänger der CDU nach den ersten Prognosen (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

SPD zufrieden, CDU enttäuscht, FDP erstarrt, AfD frohlockt. Reaktionen zur Wahl in Niedersachsen.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen als klaren Wahlsieg für die SPD gewertet. "Nach allen Zahlen, nach allen Umfragen, die ich kenne, ist die SPD mit weitem Abstand die stärkste Partei", sagte Weil am Sonntagabend auf einer Wahlparty seiner Partei. "Wir haben die stärkste Fraktion im niedersächsischen Landtag. Die Wählerinnen und Wähler haben der SPD den Regierungsauftrag erteilt und niemand anders sonst." Zudem sagte er: "Das waren hier wirklich nicht nur Landtagswahlen." Und: "Im Gegenteil, manchmal konnte man (...) den Eindruck gewinnen, andere würden eher einen verdeckten Bundestagswahlkampf führen. Aber dann ist dieses Ergebnis ja vielleicht auch ein Zeichen für unsere Freundinnen und Freunde in Berlin: Es lohnt sich zu kämpfen, es lohnt sich, den Rücken gerade zu machen. Und die niedersächsische SPD betrachtet sich gerade heute Abend als Teil der Bundes-SPD."

SPD-Chef Lars Klingbeil beschwört ein Miteinander in der Ampel-Koalition in Berlin. "Ich glaube, es gab noch nie eine Regierung, die so viele Krisen zu bewältigen hatte." Man kriege es gut hin, und das sei der gemeinsame Geist, sagte Klingbeil weiter. "Mehr Miteinander, wenig Gegeneinander, das ist das, wie wir das in der Ampel jetzt gut schaffen. Die Erwartungen sind hoch und wir müssen die erfüllen." SPD-Chefin Saskia Esken hat die Union und CDU-Chef Friedrich Merz aufgerufen, das Land nicht zu spalten. Davon würden nur rechtsradikale Parteien profitieren, sagt sie. Ihr Appell an die Union in Bund und Ländern sei: "Helfen Sie mit, unsere Gesellschaft zusammenzuführen", sagt Esken in der SPD-Zentrale.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ruft die Ampel-Parteien nach der Niedersachsen-Wahl zur engeren Zusammenarbeit auf. Die Menschen wollten, dass die Parteien in Zeiten der Krise noch enger zusammenrückten. "Das muss die Zusammenarbeit der Ampel noch stärker prägen", sagt Kühnert im ZDF. Er weist den Eindruck zurück, dass die SPD-Niedersachsen Wahlkampf gegen die Ampel gemacht habe. "Von Distanz kann keine Rede sein", sagt er. Kanzler Olaf Scholz sei noch am Samstag im Wahlkampf aufgetreten.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) wertet das Ergebnis der Landtagswahl als Wahlsieg für ihre Partei. "Die stärkste Kraft in Niedersachsen ist und bleibt die SPD und das ist ein Grund zum Jubeln", sagte Behrens am Sonntagabend im NDR-Fernsehen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gratuliert seinem Genossen. "Der Wähler erkennt, was ein guter Ministerpräsident ist", twittert Lauterbach. "Wenn es zu Rot-Grün kommt, wovon ich ausgehe, wäre das ein Segen auch für die dringend notwendige Energiewende." Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius hat sich für ein rot-grünes Bündnis in Hannover ausgesprochen. "Mal abwarten, ob es eine Zweier- oder Dreier-Koalition werden wird", sagt der SPD-Politiker in der ARD.

CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann nimmt das Votum nach eigenen Worten demütig an. "Wir haben unser Wahlziel - stärkste Kraft in Niedersachsen zu werden - auf jeden Fall nicht erreicht", sagt der derzeitige Wirtschaftsminister. "Dieses Votum nehmen wir demütig an." Er gratulierte der SPD, die von den Wählern und Wählerinnen in Niedersachsen ein klares Votum erteilt bekommen habe. Zudem kündigte er an, sich als Landesparteivorsitzender zurückzuziehen. Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja hat schnell die Niederlage eingeräumt. "Das ist für uns kein schönes Ergebnis", sagt Czaja im ZDF. Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD sei es gelungen, "sich von dem Bundestrend völlig abzutrennen". CDU-Parteivize Silvia Breher hat das Wahlergebnis in Niedersachsen als regionales Ergebnis gewertet. "Die Ursachen für die Niederlage in Niedersachsen liegt sicher nicht in einer Äußerung in Berlin", sagt die aus Niedersachsen stammende Bundestagsabgeordnete in der ARD zu der Äußerung von CDU-Chef Friedrich Merz über den "Sozialtourismus" ukrainischer Kriegsflüchtlinge.

FDP-Parteichef Christian Lindner spricht von einem "traurigen Abend". Die Liberalen hätten "einen politischen Rückschlag" erlitten, sagt Lindner in der Berliner Parteizentrale. Ziel in Niedersachsen sei gewesen, einen Linksrutsch zu verhindern, dies sei nicht gelungen. Es sei nicht möglich gewesen, von Berlin aus einen politischen Rückenwind zu organisieren. Gleichwohl bleibe die FDP bei ihrer Forderung, eine ideologiefreie Energiepolitik zu betreiben, sagt Lindner mit Blick auf die Forderung der Liberalen, weitere Atomkraftwerke länger am Netz zu halten.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr äußert sich enttäuscht. "Das schmerzt natürlich, keine Frage", sagt Dürr im ZDF. "Die Zeiten sind herausfordernd", fügt der aus Niedersachsen stammende Politiker hinzu. Es gelte jetzt für die FDP im Bund, "sehr konzentriert weiterzuarbeiten", es stünden schwierige Entscheidungen in den kommenden Wochen an. Wichtig sei jetzt, "ans Land zu denken". FDP-Vize Wolfgang Kubicki schließt eine Diskussion über das Personal seiner Partei aus. Die Liberalen seien "ein geschlossenes Team", sagt Kubicki in der ARD. Dies gelte auch für Parteichef Christian Lindner. Es gehe jetzt vielmehr darum, "vernünftige Antworten" etwa auf die hohe Inflation und die Energiepreise zu finden.

Die Grünen wollen in Niedersachsen mitregieren. "Wir werden alles dafür geben, als Grüne künftig Niedersachsen für die nächsten fünf Jahre wieder zu gestalten und zukunftsfest aufzustellen", sagt Grünen-Spitzenkandidatin Julia Hamburg. Die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, sieht in dem Wahlergebnis ihrer Partei einen Regierungsauftrag. "Es ist aus meiner Sicht ein Auftrag der Wählerinnen und Wähler, dass wir auch in Niedersachsen Verantwortung übernehmen", sagt sie im ZDF. Trotzdem habe man sich eigentlich mehr erhofft von dem heutigen Wahltag. "Natürlich hätten wir uns über ein paar Prozent mehr ganz klar gefreut, aber es ist ein starkes Ergebnis." Auch Grünen-Parteivorsitzender Omid Nouripour sieht für seine Partei einen Regierungsauftrag. "Das ist ein riesen Vertrauensvorschuss", sagt Nouripour im ZDF. "Das ist ein Auftrag, dass wir auch regieren."

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin stuft das Wahlergebnis als ein deutliches Votum für die Energiepolitik der Grünen ein. "All diejenigen, die geglaubt haben, dass man die Niedersachsen-Wahl zum Plebiszit für die Atomkraft machen kann, müssen nun mit ansehen: Sie haben zehn Prozentpunkte verloren - CDU und FDP - und die Grünen haben sechs Prozent dazu gelegt", sagt Trittin auf der Wahlparty der Grünen. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sieht die starken Stimmenzuwächse der AfD in Niedersachsen kritisch. Die Verluste der anderen demokratischen Parteien und der "Gewinn für Putinfans machen Sorgen", twittert der Grüne.

Linken-Chefin Janine Wissler hat sich enttäuscht über das schlechte Abschneiden ihrer Partei geäußert. Doch gab sich die Vorsitzende der Bundespartei am Sonntag in ihrer ersten Reaktion auch kämpferisch. Im kommenden Jahr gebe es mindestens drei Landtagswahlen, und auf die werde man sich vorbereiten. "Es braucht eine starke linke Opposition im Parlament, nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern, und darum kämpfen wir."

Mit frenetischem Jubel hat die AfD auf ihrer Wahlparty bei Hannover auf ihr sehr gutes Abschneiden bei der niedersächsischen Landtagswahl reagiert. "Es ist das Ergebnis geworden, was wir uns gewünscht haben", sagte der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla nach Bekanntwerden erster Prognosen. Die AfD gewinnt demnach stark hinzu und erreicht 11,5 bis 12 Prozent (2017: 6,2). "Wir haben jetzt wieder eine Landtagsfraktion, die schlagkräftig ist", sagte Chrupalla. "Alles was über zehn Prozent ist im Westen, ist Volkspartei, das sind wir". Der Parteichef ergänzte: "Wir sind wieder da." Lautstarken Jubel gab es auch für das schlechte Abschneiden politischer Gegner, insbesondere der FDP. "Es ist keine Tragödie, wenn die FDP aus dem Landtag fliegt, sondern eine göttliche Fügung", rief der stellvertretende Bundesvorsitzende Stephan Brandner ins Mikrofon. "Ein gutes Pils hat 4,9 Prozent, das sollte für die FDP reichen."

Die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zeigt sich hingegen über das Abschneiden der extremen Rechten schockiert. "Krisenzeiten waren zwar immer eine Feuerprobe für die Demokratie, aber Zuwächse für eine rechtsextreme Partei in dieser Größenordnung sind ein Alarmzeichen für das ganze Land - weit über Niedersachsen hinaus", erklärte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern am Sonntagabend in München. Es sei mehr als verständlich, dass die Menschen "derzeit ihre Sorgen und Nöte mit in die Wahlkabine nähmen", betonte Knobloch. "Wenn sich aber derart viele Wähler für eine Partei entscheiden, die außer Hass und Ausgrenzung nichts zu bieten hat und das Wertegerüst unserer Heimat angreift, dann macht das die Krise nur noch schlimmer." Minderheiten wie die jüdische Gemeinschaft bekämen dies zuerst zu spüren, "am Ende trifft es aber die ganze Breite der Gesellschaft."

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