Reaktionen auf Netanjahu-Rede:"Ein wichtiger Schritt"

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Die Rede von Israels Ministerpräsident Netanjahu stößt auf geteiltes Echo. Während manche Politiker von einem Fortschritt sprechen, kritisieren andere seine Worte scharf.

Die mit Spannung erwartete Rede des israelischen Ministerpräsidenten hat weltweit stark unterschiedliche Reaktion hervorgerufen.

Israels Ministerpräsident Benjamin netanjahu stößt mit seiner Rede auf ein geteiltes Echo. (Foto: Foto: dpa)

Benjamin Netanjahu hatte sich am Sonntagabend erstmals grundsätzliche für Friedensverhandlungen und die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates ausgesprochen; gleichzeitig aber hatte er betont, ein solcher Staat müsse entmilitarisiert sein und Israel müsse international Sicherheitsgarantien erhalten.

US-Präsident Barack Obama begrüßte die Unterstützung des israelischen Ministerpräsidenten für einen Palästinenser-Staat. Dies sei ein wichtiger Schritt vorwärts, erklärte sein Sprecher Robert Gibbs: "Der Präsident engagiert sich für zwei Staaten, einen jüdischen Staat Israel und ein unabhängiges Palästina, in der historischen Heimat beider Völker." Obama sei überzeugt, "dass diese Lösung sowohl Israels Sicherheit gewährleisten kann und muss als auch die Erfüllung der legitimen Hoffnungen der Palästinenser auf einen lebensfähigen Staat".

EU begrüßt Netanahus Worte

Auch die tschechische Ratspräsidentschaft der Europäischen Union begrüßte die Rede. Die Zustimmung zu einem Palästinenserstaat sei "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte der tschechische Außenminister Jan Kohout. Auf diese Sprachregelung einigten sich die Außenminister der EU bei einem Treffen in Luxemburg.

"Ich denke, dass die Likud-Regierung förmlich die Zwei-Staaten-Lösung anerkannte, geht in die richtige Richtung", so EU-Chefdiplomat Javier Solana. Als nächstes müssten viele weitere Schritte folgen folgen, sagte Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Israel müsse die Besiedelung des Westjordanlandes stoppen und die Grenzen um den Gaza-Streifen öffnen, forderte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner.

In Israel waren die Reaktion hingegen weit weniger einheitlich. Siedler kritisierten dort die Zustimmung zu einem entmilitarisierten Palästinenserstaat scharf. Der Siedlerführer Pinchas Wallerstein verglich im israelischen Online- Dienstes ynet einen solchen Staat mit einem "Raubtier- Baby": "Wenn es noch klein ist, ist es süß, aber alle wissen, dass es später zu einem gefährlichen Raubtier wird."

"Ehrliche und mutige Rede"

Der Rat der Siedler in Judäa Samaria erklärte, Netanjahus Zustimmung zu einem Palästinenser-Staat sei bedauerlich, nachdem er jahrelang erklärt habe, welche Gefahr ein entmilitarisierter Palästinenser-Staat für Israel darstelle.

Staatspräsident Schimon Peres sprach indes von einer "ehrlichen und mutigen Rede". Die Äußerungen seien wichtig zur Stabilisierung der Lage in der Region und bildeten den Auftakt zur Aufnahme direkter Verhandlungen über eine regionale Friedensregelung sowie ein bilaterales Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern. Der ultrarechte Außenminister Avigdor Lieberman sagte, Netanjahu habe mit seiner Rede eine Tür für Palästinenser und arabische Staaten zur sofortigen Aufnahme von Friedensverhandlungen geöffnet.

Auch Oppositionsführerin Tzipi Livni, von der gemäßigten Kadima-Partei, erklärte, Netanjahu habe einen Schritt in die richtige Richtung getan. Der wahre Test seien jedoch "Taten, nicht Worte". Der Likud-Abgeordnete Danny Danon warf Netanjahu dagegen vor, er habe sich dem Druck der USA gebeugt. Er bemängelte, dass Netanjahu von einem "palästinensischen Staat" sprach: "Wir werden in Fraktion und Partei gegen diese Richtung kämpfen."

Scharfe Kritik von Autonomiebehörde

Die Palästinenser reagierten negativ auf die Rede und warfen dem Ministerpräsidenten vor, er habe zentrale Streitpunkte, die in Verhandlungen geklärt werden sollten, bereits einseitig entschieden. "Netanjahu muss tausend Jahre warten, bis er einen Palästinenser findet, der einem solchen schwachen Staat zustimmt", sagte der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat.

Die palästinensische Autonomiebehörde reagierte ebenfalls mit deutlichen Worten. Netanjahus Ansprache sabotiere sämtliche Friedensbemühungen, sagte ein Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Netanjahu spreche von einem palästinensischen Staat, beraube diesen mit seinen Forderungen aber jeglicher Substanz, sagte der Abbas-Vertraute Abed Rabbo. Die im Gaza-Streifen regierende radikalislamische Hamas kritisierte die "rassistische und extremistische" Ideologie des israelischen Regierungschefs.

Auf ein geteiltes Echo stieß Netanjahus Rede auch in den Zeitungen weltweit. Die Spanische Zeitung El País bemängelte: "Abgesehen von kosmetischen Elementen war die Rede Netanjahus weit von dem Versöhnungswillen entfernt, den seine Sprecher angekündigt hatten." Die Ansprache sei in zentralen Aspekten des Nahost-Konflikts wenig flexibel gewesen, schrieb das Blatt weiter. "Sie war nicht der Ausdruck eines Verhandlungswillens, sondern steckte vielmehr voller Bedingungen."

"Fortsetzung des gegenwärtigen Zustands"

Die Neue Zürcher Zeitung schrieb: "Die mit Trompetenstößen angekündigte Grundsatzrede hat wenig zum erhofften Ausgleich zwischen den Juden in Israel und ihren palästinensischen Nachbarn beigetragen. Sein Vorschlag eines demilitarisierten Palästinenserstaates bedarf der Präzisierung. Je nach Interpretation bedeutet dies nichts weiter als eine Fortsetzung des gegenwärtigen Zustands." In Syrien schrieb die halbamtliche Zeitung Al-Thawra: "Israel ist weit, sehr weit entfernt von jedem Gedanken an Frieden."

"Dass Netanjahu das zukünftige Existenzrecht eines Palästinenserstaates in irgend einer Form anerkannt hat, ist ein Fortschritt", schrieb der britische Independent. Nun sei eine Tür einen Spalt breit vorsichtig aufgestoßen worden und Washington müsse sicherstellen, dass Israel sein Angebot an die Palästinenser klarer formuliert und ein Datum nennt.

"Die Rede Netanjahus entsprach nicht den Hoffnungen der Palästinenser und auch nicht den unsrigen, doch seine augenscheinliche Akzeptanz eines Palästinenserstaates kann als Baustein genutzt werden. In diesen düsteren Zeiten für den Nahen Osten ist dies wenigstens etwas."

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/AP/Reuters/blg/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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