Reaktionen auf Joe Bidens Wahlsieg:Ende gut, fast alles gut

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Joe Biden als Vizepräsident zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin im Jahre 2013 (Foto: Pool/Getty Images)

Die deutsche Politik zeigt sich nach dem Wahlsieg von Joe Biden erleichtert, doch in die Freude mischen sich auch mahnende Worte. Nur eine ist überraschend kurz angebunden: die Kanzlerin

Von Nico Fried, Berlin

Eine Gemeinsamkeit zwischen Joe Biden und Angela Merkel konnte man schon in der Rede des gewählten Präsidenten in der Nacht zu Sonntag erkennen. Der Katholik Biden zitierte nach etwa acht Minuten den Satz: "Ein jegliches hat seine Zeit." Diesen Spruch aus der Bibel (Prediger 3,1) verwendet auch die protestantische Kanzlerin gerne, vor allem wenn sie gefragt wird, warum irgendwas nicht schneller ging. Insofern passt die Losung auch zu Merkels Reaktion auf das Wahlergebnis in den USA.

Denn am Samstagabend ließ die Kanzlerin ihren Regierungssprecher zwar Glückwünsche an Joe Biden und Kamala Harris über Twitter verbreiten. Sie freue sich auf die künftige Zusammenarbeit, die transatlantische Freundschaft sei "unersetzlich". Es waren aber nur wenige, eher allgemeine Sätze, nicht vergleichbar mit der ausführlichen - und sehr distanzierten - Stellungnahme zur Wahl Donald Trumps vor vier Jahren. Am Sonntag wurde ein weiteres Statement Merkels vor Kameras angekündigt, dann aber "aus Termingründen" auf Montag verschoben. Ein jegliches hat seine Zeit.

Merkel kennt Biden von mehreren Begegnungen. Als die Kanzlerin im Juni 2011 in Washington die Medal of Freedom erhielt, richtete der damalige Vizepräsident Biden zusammen mit Außenministerin Hillary Clinton ein Mittagessen im State Department aus, bei dem Merkel auch Bidens Ehefrau Jill kennen lernte - ein Treffen, an das sie sich gerne erinnere, wie Merkel später einmal berichtete. Anfang Februar 2013 besuchte Biden dann Merkel im Kanzleramt. Zudem dürfte er wiederholt dabei gewesen sein, wenn Merkel bei Präsident Barack Obama im Weißen Haus zu Gast war.

Ausführlicher als Merkel äußerte sich kurz nach dem Tweet der Kanzlerin der Bundespräsident. In einem Glückwunsch schrieb Steinmeier, mit Bidens Wahl verbinde sich die Hoffnung unzähliger Menschen "auf Verlässlichkeit, Vernunft und die beharrliche Arbeit an Lösungen in einer unruhigen Welt". Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von der Chance, "ein neues und spannendes Kapitel in den transatlantischen Beziehungen aufzuschlagen". Die Europäer hätten allerdings ihre Hausaufgaben zu machen, "die Welt wird nicht auf uns warten". Außenminister Heiko Maas und Scholz hatten in den Tagen zuvor bereits den noch amtierenden Präsidenten Donald Trump kritisiert, nachdem dieser immer wieder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahlen geäußert hatte.

CSU-Chef Markus Söder zeigte sich "sehr erleichtert, dass der Wahlkrimi ein gutes Ende genommen hat". Sein Vertrauen in die amerikanische Demokratie sei "wieder gestärkt", so Söder. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich optimistisch: "Er mag nicht so charismatisch wie Obama sein, aber ich habe bei Biden als Präsident ein gutes Gefühl", sagte Schäuble der Bild am Sonntag. Mit Blick auf Trumps Klagen gegen das Wahlergebnis sagte Schäuble, es gebe das Recht der juristischen Überprüfung. Allerdings müsse man irgendwann seine Niederlage einsehen. "Und wenn er das nicht tut, müssen genügend Republikaner da sein, die ihm sagen: 'Es isch, wie es isch, und jetzt isch over.'"

Auch aus der Opposition kamen überwiegend positive Reaktionen: "Es wird nun nicht jede Meinungsverschiedenheit mit den USA verschwinden, aber es gibt die Chance auf einen Neustart der transatlantischen Partnerschaft. Wir Europäer sollten sie nutzen", schrieb FDP-Chef Christian Lindner. Grünen-Chefin Annalena Baerbock twitterte: "Was für eine befreiende Nachricht!" Ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck sagte am Sonntag im Deutschlandfunk, es gebe Grund für Erleichterung, aber nicht für Euphorie.

Auch Linken-Chefin Katja Kipping meinte, die Wahl Bidens sei zwar eine gute, wenn auch keine beruhigende Nachricht. Mit Blick auf Trumps Ergebnis schrieb sie: "Knapp die Hälfte der Stimmen bekam ein großmäuliger Lügner, der täglich seine Verachtung für Demokratie, Frauen und alle, die ihm zu widersprechen wagten, gezeigt hat." Auch die AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland gratulierten Biden, verwiesen aber auf die noch anhängigen Klagen Trumps. "Wir akzeptieren die demokratisch zustande gekommene Entscheidung der amerikanischen Bürger und sind zuversichtlich, dass mögliche Unregelmäßigkeiten bei den Auszählungen schnell auf rechtsstaatlichem Wege geklärt werden."

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