Reaktion auf sinkende Umfrage-Werte:Union und FDP distanzieren sich von Kirchhof

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Die Spitzen von Union und FDP gehen auf Distanz zu Paul Kirchhof. Sie reagieren damit auf die Diskussion über den Finanzexperten, die sich offenbar schädlich auf die Chancen für eine schwarz-gelbe Regierung ausgewirkt hat.

Björn Finke und Nico Fried

FDP-Chef Westerwelle stellte auf dem Wahlparteitag am Sonntag in Berlin eine Bedingung für eine Koalition mit der Union. Die FDP werde in eine Bundesregierung nur dann eintreten, "wenn eine echte Netto-Entlastung der Bürger und insbesondere der Familien erfolgt". Mit Blick auf die Debatten um Kirchhof sagte er, es gehe nicht um eine akademische Steuerdiskussion, sondern darum, die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Vordergrund zu stellen.

Schon vor dem Parteitag hatte Westerwelle die Union aufgefordert, sich von Kirchhofs Konzept abzugrenzen und deutlich gemacht, dass ihn die Steuerdiskussion ärgere. Meinungsforscher machen die Debatte über Kirchhofs Konzept einer Einheitssteuer mit dafür verantwortlich, dass Union und FDP in den aktuellen Umfragen zur Wahl ihre Mehrheit eingebüßt haben.

Merkel bekräftigte, dass Kirchhofs Steuerkonzept im Falle eines Sieges bei der Wahl am 18. September vorerst nicht umgesetzt werde. Zunächst komme die von der Union beschlossene Steuerreform zum 1. Januar 2007. Den von Kirchhof vorgeschlagenen Einheitssteuersatz von 25 Prozent für alle nannte Merkel Zukunftsmusik. "Das ist nicht Teil unseres Programms." Für Aufmerksamkeit sorgten lobende Worte Merkels für den CDU-Finanzexperten Friedrich Merz.

FDP bekennt sich zur Union

Das Verhältnis Merkels zu Merz gilt als schwierig. Merkel sagte jetzt, Merz sei "einer der talentiertesten Politiker". Sie sehe "mit Freude, wie engagiert er Wahlkampf macht". Eine Antwort auf die Frage, ob sie Merz in eine Spitzenposition holen würde, vermied Merkel, trat Spekulationen aber auch nicht entgegen: "Gewinnen wir zunächst einmal die Wahl - und reden wir dann über Personalien."

Westerwelle machte auf dem Parteitag deutlich, dass die FDP ausschließlich mit der Union zusammenarbeiten wolle. "Schwarz-Gelb ist die einzige Koalition, die für die FDP in Betracht kommt", heißt es auch in einem Wahlaufruf, den die Delegierten einstimmig verabschiedeten. Eine etwaige Ampelkoalition mit SPD und Grünen schloss die FDP ausdrücklich aus.

Zugleich kündigten die Liberalen eine Zweitstimmenkampagne an. Generalsekretär Dirk Niebel verband einen entsprechenden Aufruf mit dem Argument, dies komme Schwarz-Gelb insgesamt zugute, weil die Union mehr Überhangmandate erhalten werde. Damit stellt sich die FDP allerdings gegen die Union: Deren Fraktionsvize Wolfgang Bosbach hatte am Wochenende gefordert, die Liberalen sollten ihr Wählerpotenzial stärker mobilisieren, jedoch nicht auf Kosten der Union.

Westerwelle präsentierte dem Parteitag auch ein siebenköpfiges Kompetenzteam. Allerdings erhob er lediglich für den Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt den Anspruch auf ein Ministeramt: "Er wird der nächste Außenminister der Bundesrepublik Deutschland", sagte Westerwelle. Gerhardt warf in seiner außenpolitischen Rede der rot-grünen Bundesregierung vor, die Beziehungen zu den USA unnötig belastet zu haben. Er warb für Verlässlichkeit und Kontinuität in der Außenpolitik.

Angesichts der fehlenden Mehrheit für Union und FDP in den Umfragen, verstärkte die Union ihre Warnungen vor einer großen Koalition. Merkel sagte auf einer Wahlkampfveranstaltung in ihrem Wahlkreis Templin: "Eine große Koalition bedeutet mit Sicherheit Stillstand". Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), der in Dresden zusammen mit der SPD regiert, nannte eine große Koalition in Berlin sogar eine "Horrorvision".

© SZ vom 12.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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