Razzien gegen Islamisten:Polizei durchsucht weitere Wohnungen von Salafisten

Lesezeit: 2 min

Razzien in 100 Wohnungen: Die Polizei hat ihre Ermittlungen gegen die gewaltbereiten Salafisten ausgeweitet. Trotz des harten Vorgehens gegen die radikal-islamische Bewegung glaubt Innenminister Friedrich nicht an eine verschärfte Sicherheitslage.

Die Polizei hat die bundesweiten Razzien gegen die Salafisten ausgeweitet: Gestern Abend gab es Zugriffe auf weitere 29 Wohnungen in Hamburg und Schleswig-Holstein. Insgesamt seien damit bundesweit 100 Objekte durchsucht worden, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dem Radiosender WDR 5. Ursprünglich seien 71 Durchsuchungen angeordnet gewesen. Es hätten sich dann aber neue Hinweise ergeben, so dass schließlich 29 weitere Objekte kontrolliert worden seien.

Polizeibeamte tragen Kartons und Computer aus der Millatu Ibrahim Moschee in Solingen, die im Zuge der Razzien gegen Salafisten durchsucht wurde. (Foto: dpa)

Am Donnerstagabend seien sechs Objekte in Lübeck, Pinneberg und Elmshorn durchforstet worden, bestätigte ein Sprecher des Landeskriminalamts in Kiel. Offensichtlich seien die Bewohner dem Verein Millatu Ibrahim zuzurechnen, gegen den Friedrich ein Verbot erlassen habe. Außerdem stellten die Ermittler Datenträger wie Computer, Laptops und Sticks sicher. In Hamburg steuerte die Polizei zwölf Adressen an.

Mit einer erhöhten Anschlagsgefahr in Deutschland rechnet Friedrich nach den Razzien nicht. Es gebe zwar immer eine potentielle Gefahr durch Aktionen Einzelner, aber konkrete Anschlagspläne sehe er nicht. Zugleich verteidigte er jedoch das harte Vorgehen der Sicherheitsbehörden. "Wir akzeptieren in diesem Land keine gewalttätigen Gruppierungen", sagte er im Deutschlandfunk. Zwar müsse man vorsichtig mit der Behauptung vorsichtig sein, dass die geschätzt 4000 Salafisten in Deutschland alle zu Gewalttaten aufriefen. Es sei jedoch bekannt, dass es ein Potential "mit fließenden Grenzen zur Gewalt" gebe. Alle islamistischen Terrorverdächtigen hätten in der Vergangenheit salafistischen Hintergrund gehabt.

Gestern waren 850 Polizisten mit großangelegten Razzien in sieben Bundesländern gegen radikalislamische Salafisten vorgegangen. In Solingen wurde die salafistische Vereinigung Millatu Ibrahim als verfassungswidrig verboten. Neben Computern, Laptops, Handys und Propagandamaterial soll auch Geld sichergestellt worden sein. Die Rheinische Post berichtete, bei dem Kölner Mitglied des Vereins "Die wahre Religion", Ibrahim Abou-Nagie, seien 4000 Euro und Geldumschläge gefunden worden. Bei Millatu Ibrahim hätten Fahnder etwa 10.000 Euro sichergestellt.

Salafisten-Netzwerke empfindlich getroffen

"Wir haben eine ganze Vielzahl von Asservaten jetzt zusammengesammelt, das muss jetzt sorgfältig ausgewertet werden", sagte Friedrich im WDR. Die Salafisten-Netzwerke seien empfindlich getroffen: "Man ist in der Lage, die Organisation aufzulösen, die Strukturen zu zerschlagen, man kann das Vermögen einziehen." Das Verbot könne viele abschrecken, die sich auf den Weg in Richtung Salafismus machten. Über die Möglichkeit, dass Salafisten nun verstärkt im Untergrund weiterarbeiten könnten, sagte der Minister, ein Verbot könne aber keine endgültige Lösung sein. Die Auseinandersetzung müsse auch auf geistiger Ebene stattfinden, ergänzte er im Deutschlandfunk. "Man muss dafür sorgen, dass die abstrusen Ideen der Salafisten keine Verbreitung finden."

Friedrich wies außerdem Vorwürfe zurück, Journalisten seien im Vorfeld gezielt über die Razzien informiert worden. "Wir haben als Bundesministerium keinerlei Interesse, solche Dinge vorher durchzustechen und damit die Aktion zu gefährden", sagte er im Deutschlandfunk. Als die Polizei am frühen Donnerstagmorgen mit den Durchsuchungen begonnen habe, waren mancherorts schon Journalisten vor Ort.

"Razzien und Verbote reichen nicht"

Islamische Organisationen begrüßten das Vorgehen der Behörden. Die Türkischen Gemeinden in Deutschland (TGD) erklärten der Rheinischen Post zufolge, auch Vereinsverbote seien möglich, wenn solchen Zusammenschlüssen verfassungsfeindliche Aggression nachgewiesen werden könne. "Razzien und Verbote alleine reichen aber nicht", sagte die stellvertretende TGD-Bundesvorsitzende Aische Demir. Hinzu kommen müsse mehr Prävention, um zu verhindern, dass einschlägige Organisationen Zulauf von muslimischen Jugendlichen bekämen.

Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach, betrachtet alle Formen des Salafismus als Gefahr für Staat und Gesellschaft. "Die traditionelle Unterscheidung zwischen dem politischen und dem gewaltbereiten Salafismus sollten wir aufgeben", sagte der CDU-Politiker der Passauer Neuen Presse. Der Salafismus sei nicht nur eine religiöse Bewegung, sondern in erster Linie eine politische Ideologie, die darauf abziele, anstelle der Verfassung einen islamischen Gottesstaat zu errichten.

Bosbach sagte, zwar sei nicht jeder Salafist ein Terrorist. "Aber fast alle uns bekannten islamistischen Terroristen hatten in der Vergangenheit Kontakte zu salafistischen Personen und Organisationen", fügte er hinzu.

© Süddeutsche.de/dapd/AFP/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: