Rauchstopp:Recht auf Hilfe

Tabakabhängigen eine Therapie zu verweigern ist inhuman.

Von Berit Uhlmann

Mehr als 100 000 Menschen sterben jährlich in Deutschland an den Folgen des Rauchens. Und doch haben Tabakabhängige weiterhin keinen Anspruch darauf, dass die Krankenkasse ihnen Entwöhnungsmittel bezahlt. Das hat das Bundessozialgericht soeben entschieden. Die Richter berufen sich auf das Sozialgesetzbuch, in dem Nikotinpflaster, Nikotinkaugummis und ähnliche Präparate als Mittel zur Verbesserung der Lebensqualität gelten. Sie fallen in dieselbe Kategorie wie Haarwuchsmittel, werden also als Wohlfühlprodukte betrachtet, für die Kassen nicht zahlen müssen. Das Urteil ist nicht überraschend - und dennoch fragwürdig.

Für einen starken Raucher ist es keine Lifestyle-Entscheidung, ob er von der Zigarette lässt. Und ein Nikotinpflaster ist kein Accessoire, das gerade mehr in Mode ist als die Kippe. Rauchen ist eine Suchterkrankung, und die Nikotinpräparate dienen der Behandlung, wenngleich ihre Wirkung nicht allzu groß ist. Es ist zynisch, Abhängigen die Bezahlung dieser Therapien von vornherein zu verweigern. Denn dies heißt im Prinzip: Hilfe gibt es erst, wenn der Lungenkrebs da ist.

Zwar kann man argumentieren, dass die Gemeinschaft nicht in jedem Fall für die Folgen eines selbstgewählten Lasters aufkommen muss. Aber ist es angemessen, ausgerechnet jene zurückzuweisen, die den Kampf gegen die Sucht aufnehmen wollen? Man könnte über andere Wege der Finanzierung nachdenken, etwa über höhere Tabaksteuern. Damit würden zugleich mehr Menschen vom Rauchen abgehalten.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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