RAF und der Mord an Buback:Gerichte und Geschichte

Lesezeit: 2 min

Damals war die Justiz froh, dass sie die Verfahren irgendwie über die Bühne bekam. Umso schwerer ist es heute, die ganze Wahrheit per Prozess zu finden.

Heribert Prantl

Ermittlungen sind also nun eingeleitet. Das bedeutet juristisch - fast nichts. Es gibt keinen dringenden, es gibt auch keinen hinreichenden Tatverdacht, es gibt nur den simplen Anfangsverdacht, der sich auf Aussagen von zwei Ex-Terroristen stützt: Stefan Wisniewski, so sagen sie, habe beim Buback-Mord geschossen.

Gäbe es nicht die rasenden Spekulationen der vergangenen Tage - diese Aussagen hätten kaum für die Annahme eines Anfangsverdachtes gereicht, weil es halt keinerlei Spuren gibt, die Wisniewski belasten. Die Ermittlungen dienen daher vor allem der Beruhigung der öffentlichen Aufregung. Sie sollen der Kritik vorbeugen, die Bundesanwaltschaft täte nicht alles, um aufzuklären was noch aufzuklären ist.

Die Ermittlungen werden darin bestehen, dass die Belastungs-Kronzeugen noch einmal befragt und ihre Aussagen dann mit dem Spurenmaterial aus dem Jahr 1977 verglichen werden. Dieses Vorgehen ist gut und richtig. Sensationen darf man sich nicht erwarten. Wer glaubt, man könne Wisniewski oder ein anderes ehemaliges RAF-Mitglied sozusagen ins Blaue hinein anklagen, um auf diese Weise die Tür zu einem Prozess zu öffnen, der das Buback-Attentat noch einmal von allen Seiten beleuchtet, der irrt über den Sinn eines Strafverfahrens: Es dient der Feststellung individueller Schuld.

Ein Gerichtsverfahren ist kein davon losgelöstes Geschichtsverfahren. Sicherlich: Der Strafprozess hat das Ziel, herauszufinden, wie es wirklich gewesen ist - aber das geht nur, wenn man einen hinreichend verdächtigen Täter hat. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, kann der Strafprozess die Wahrheit klären. Das unterscheidet ihn von einer Wahrheitskommission oder von einem Untersuchungsausschuss.

Drei ehemalige Terroristen sind wegen des Buback-Mordes verurteilt worden. Eine Wiederaufnahme ihrer Verfahren könnte womöglich die Wahrheit über den Tatablauf gründlicher erforschen als damals. Aber das bloße Interesse daran, mehr zu wissen als bisher, ist kein Wiederaufnahmegrund - auch nicht, wenn es ein Angehöriger des Opfers ist, der dieses Interesse hat. Die Wiederaufnahme ist im Gesetz genau geregelt. Es müssten sich zwingende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine Mittäterschaft beim Mord an Buback nicht in Betracht kommt. Neue Detail-Erkenntnisse zum Tatablauf sind kein Wiederaufnahmegrund.

Fragen, die nur ein Untersuchungsausschuss klären kann

Das ist keine befriedigende Situation, aber eine, an der man juristisch nicht vorbeikommt. Natürlich gibt es Fragen über Fragen. Warum wurde seinerzeit die Anklage gegen Verena Becker wegen des Buback-Mords eingestellt - immerhin war bei ihr die Tatwaffe gefunden worden? Sie wurde zwar noch im Jahr des Buback-Mords verurteilt, aber "nur" wegen Mordversuchs - wegen der Schießerei mit Polizisten bei ihrer Festnahme im Mai 1977.

Das mehrmalige "lebenslänglich", das hier als Strafe ausgesprochen wurde, war dem damaligen Ankläger und Buback-Nachfolger Kurt Rebmann genug. Alle anderen Anklagepunkte wurden eingestellt. Warum? War das der Preis dafür, dass Verena Becker sich den Sicherheitsbehörden umfassend offenbarte? Das sind Fragen, die, wenn überhaupt, nur in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden können.

Wer Kritik an den damaligen Strafprozessen und ihren Aufklärungsdefiziten äußert (und man kann daran viel Kritik üben), der muss sich allerdings auch daran erinnern, wie diese abliefen: Die Angeklagten sagten kein Wort zur Sache; die Richter waren gereizt, die Angeklagten aggressiv - und die Richter wurden es dann nicht selten auch. Die Angeklagten wurden bisweilen aus dem Gerichtssaal entfernt, sie wollten es so, und das Gesetz, eigens geändert, ermöglichte es so. Die Justiz war froh, dass sie die Verfahren irgendwie über die Bühne bekam. Heute wäre man dankbar, es wäre mehr gewesen als dies.

© SZ vom 26. April 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: