Rätsel der Woche:Wie läuft ein Beleidigungs- Verfahren?

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Das Tippen an die Stirn zählt als Beleidigung, der Mittelfinger sowieso und auch "Scheißbulle" kann Ärger bedeuten - doch die wenigsten Fälle werden vor Gericht verhandelt.

Von Wolfgang Janisch

Wer gerade nicht Staatspräsident ist, aber trotzdem beleidigt wird, der sollte sich nicht allzu viel Hoffnung auf ein Gerichtsverfahren machen, in dem die Beleidigung vor den Augen der Öffentlichkeit gesühnt wird. Gewiss, immerhin 30 000 Beleidigungsverfahren sind im Jahr 2014 vor deutschen Gerichten geführt worden, davon endeten etwa 24 000 mit einer Verurteilung der (zu 87 Prozent männlichen) Täter. Die Fälle sind so vielgestaltig wie das Leben: Das Tippen an die Stirn ist - allerdings vor vielen Jahren - als Beleidigung eingestuft worden, ebenso die Postkarte an einen Polizisten mit den "Konturen eines Amtsarsches" oder die Anrede als "Scheißbulle". Auch Nazi-Vergleiche sind beliebt.

Deutlich größer dürfte aber die Zahl von Beleidigungsverfahren sein, die nicht vor Gericht landen, sondern bereits bei der Staatsanwaltschaft enden. Die Strafprozessordnung ermöglicht es den Anklägern, solche Bagatelldelikte vom Justizbetrieb fernzuhalten: Die Betroffenen können auf die "Privatklage" verwiesen werden, also selbst als Ankläger auftreten - wovon in der Praxis kaum jemand Gebrauch macht, weil das mit Aufwand und Kostenrisiken verbunden ist. Weil es aber die Privatklage gibt, lassen sich die Massenfälle leichter ablegen, weil wenigstens in der Theorie Rechtsschutz gewährt wird. In 196 000 Fällen haben die Staatsanwälte 2014 Betroffene auf den Privatklageweg verwiesen, ein beträchtlicher Teil davon dürften Beleidigungsdelikte gewesen sein.

Wenn die Sache vor Gericht landet, wird meist ein Strafbefehl beantragt, der zu einer Geldstrafe führt. Deren Höhe liegt etwa zwischen 15 und 90 Tagessätzen. Freiheitsstrafen sind selten, von den 24 000 Verurteilungen enden etwa 1000 mit einer Freiheitsstrafe. Ins Gefängnis müssen davon die wenigsten; annähernd drei Viertel davon werden zur Bewährung ausgesetzt.

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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