Rätsel der Woche:Warum kommen die Flüchtlinge gerade jetzt?

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Seit mehr als vier Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien. Seitdem sind Millionen Menschen auf der Flucht. Doch erst jetzt erreicht die Flüchtlingswelle Europa. Das hat mehrere Gründe.

Von Jan Bielicki

Der Sturm heißt Lodos, und wie sein türkischer Name sagt, tobt er von Süden in die Ägäis und zwingt vor allem von November bis April auch große Fährschiffe in die Häfen. Das Wetter ist ein Grund, warum viele Flüchtlinge jetzt die kurze, aber auch im Sommer gefährliche Überfahrt vom türkischen Festland auf die Inseln Griechenlands wagen. Zehntausende Menschen aus Syrien warten allein in der türkischen Hafenstadt Izmir auf einen Platz in einem Schlauchboot - bevor es zu stürmisch, zu kalt, zu spät ist.

Die meisten Gründe, warum sich gerade jetzt so viele Menschen nach Europa aufmachen, liegen weiter im Osten. Im Jahr vier des Bürgerkriegs gehen vielen Syrern die Ersparnisse aus - und die Hoffnung auf Rückkehr. Der Krieg erfasst immer größere Gebiete ihrer Heimat, Lebensmittel werden dort trotz guter Ernte immer teurer. Immer schwieriger ist auch die Lage der vier Millionen Syrer, die sich in die Nachbarländer geflüchtet haben. Mangels Geld hat das UN-Welternährungsprogramm kürzlich die Nahrungsmittelhilfe für Flüchtlinge in Jordanien und Libanon auf zwölf Euro im Monat gesenkt, zu wenig zum Überleben.

Auch die Türkei fühlt sich mit der Versorgung von zwei Millionen Flüchtlingen überfordert. Dazu kommt: Wegen der Kämpfe zwischen türkischem Militär und kurdischen Rebellen ist es im Südosten des Landes nicht mehr sicher, wohin viele Syrer geflohen sind. Viele von ihnen sind Kurden, auch daher tut Ankara wenig, sie auf ihrem Weg nach Westen aufzuhalten. Inzwischen haben die Schlepper ihr Transportnetz bestens ausgebaut.

Und am anderen Ende des Fluchtwegs lockt ein Land, dessen Kanzlerin Sicherheit verspricht. Bilder des großen Willkommens in Deutschland haben sich schnell über die Smartphones der Fliehenden verbreitet. Sie wirken umso anziehender, je abstoßender die Verhältnisse im Nahen Osten sind.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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