Prozesse:Volksverhetzung mit der Badehose

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Ein Politiker der NPD wurde wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hat ein KZ-Tattoo.

Von Jens Schneider, Oranienburg

Es ist ein Samstag, Mitte November, das Spaßbad zu Oranienburg ist gut besucht. Unter den Gästen im Schwimmbad, das nördlich von Berlin im Kreis Oberhavel liegt, ist auch der 27 Jahre alte Marcel Z. Er trägt viele Tätowierungen. Eine davon, recht groß und über der Bade-Shorts am unteren Rücken für jeden sichtbar, hat ein erschreckendes Motiv. Es zeigt offenbar die Silhouette des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Lagertürme sind zu sehen, ein Zaun. Dabei steht der Satz "Jedem das Seine", der über dem Tor des Konzentrationslagers Buchenwald stand.

Kaum ein Badegast scheint sich daran zu stören. Das berichtet später ein Zeuge, der sich folgenlos bei einem Bademeister beschwert. Der Mann ist entsetzt, er fotografiert den Rücken, postet das Foto bei Facebook. Erst nach einigen Tagen wird der Träger des Tattoos, das im Web als "brauner Speck" kommentiert wird, identifiziert. Z. ist Funktionär der rechtsextremen NPD, er sitzt in Eberswalde im Kreistag und ist Gemeindevertreter in seinem Heimatort Panketal. Er ist wegen Körperverletzung, Amtsanmaßung und Fahrens ohne Führerschein zu Geldstrafen verurteilt worden. An diesem Dienstag muss er sich vor dem Amtsgericht Oranienburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Volksverhetzung angeklagt.

Ein Tattoo kann nicht strafbar sein, betont Staatsanwalt Torsten Lowitsch - das Zeigen aber schon. "Wer eine solche Abbildung in der Öffentlichkeit zeigt, will etwas ausdrücken", sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Marcel Z. habe mit dieser "wohldurchdachten Zusammenstellung verschiedener Symbole" seine "tiefste Überzeugung zum Ausdruck" gebracht. Lowitsch sieht in der Zurschaustellung eine öffentliche Billigung der Morde an Millionen Menschen in den NS-Konzentrationslagern und den Angeklagten der Volksverhetzung überführt: "Er hat Grundwerte der Verfassung mit Füßen getreten." Lowitisch beklagt, dass sich offenbar außer dem Zeugen niemand im Schwimmbad an dem Tattoo störte. Er fordert eine Haftstrafe von zehn Monaten, ohne Bewährung.

Ein Tattoo kann nicht strafbar sein, aber das Tragen in der Öffentlichkeit, sagt die Richterin

Marcel Z. äußert sich zu all dem nicht. Der rundliche junge Mann trägt an diesem Tag einen braunen Sweater, seine Haare sind sehr kurz geschnitten, am Hinterkopf trägt er einen kurzen Zopf, man sieht die Ausläufer von Tätowierungen an Hals, Handrücken und Fingern. Einige Weggefährten aus der rechten Szene sind im Gerichtssaal. Er macht bis auf sein Alter keine Angaben zur Person. Sein Anwalt Wolfram Nahrath, ein bekannter Advokat der rechten Szene, spricht für ihn. Sein Mandant trage die Tätowierung, die auf Facebook kursierte, sagt Nahrath, und er sei an diesem Tag im Spaßbad gewesen. Er fordert einen Freispruch. Das Tattoo sei keine Meinungsäußerung. Sein Mandant habe im Schwimmbad mit "seinem Kind Spaß gehabt" und "auch nicht ansatzweise geahnt, was da auf ihn zukommt", sonst "hätte er sicherlich ein Hemd angezogen".

Ist also ein rechtsextremes Tattoo Volksverhetzung? "Ein Tattoo für sich kann nicht strafbar sein, aber das Tragen in der Öffentlichkeit", sagt Richterin Barbara Speidel-Mierke. In der Sache folgt sie dem Staatsanwalt, sie hat auch keinen Zweifel am Vorsatz der Straftat - ebenso wenig daran, dass Z. sich durch das Zeigen des Tattoos der Störung des öffentlichen Friedens schuldig gemacht hat. Ihr Urteil fällt aber milder aus, als es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Sie entscheidet, unter anderem, weil Z. bisher nicht einschlägig vorbestraft ist, auf eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten. Es wird erwartet, dass die Beteiligten die nächste Instanz anrufen.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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