Prozess:Saddam ruft zum Kampf

Lesezeit: 1 min

Iraks Ex-Diktator provoziert einen Eklat bei seinem Prozess, als er die Bevölkerung offen zum bewaffneten Widerstand gegen die US-Truppen aufruft.

Tomas Avenarius

Beim Prozess gegen den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Hussein ist es zum Eklat gekommen: Als Saddam die Iraker bei seiner Aussage vor dem Sondergericht in Bagdad am Mittwoch offen zum bewaffneten Widerstand gegen die US-Besatzungstruppen aufrief, schloss der Richter die Öffentlichkeit vom Prozess aus.

Zuvor hatte Saddams Halbbruder, der frühere Chef des Inlandgeheimdienstes, ausgesagt. Barsan Ibrahim wies alle Vorwürfe des Staatsanwalts zurück, wonach die Regierung nach einem missglückten Attentat auf Saddam im Jahr 1982 brutale Rache an der Zivilbevölkerung genommen habe.

Laut Anklage wurden in der Stadt Dudschail 148 Menschen exekutiert sowie zahllose andere gefoltert und unschuldig inhaftiert.

"Ich forderte das Volk auf, den Besatzern entgegenzutreten statt sich gegenseitig zu töten", sagte Saddam zu Beginn seiner Aussage. Der Diktator hatte seine Rede mit in der arabischen Welt üblichen religiösen Formeln eingeleitet, dann aber versucht, eine politische Ansprache zu halten.

Da das Verfahren zeitversetzt weltweit im Fernsehen übertragen wird, hätte Saddam mit breiter Wirkung in der arabischen Welt rechnen können. Er forderte nicht nur zum Kampf gegen die internationalen Truppen auf, sondern warnte auch vor einem Bürgerkrieg. Den Irakern drohten "ein Leben in Dunkelheit und Ströme von Blut".

"Eine politische Komödie gegen mich und meine Kameraden"

Der Vorsitzende Richter Raouf Abdul Rahman forderte Saddam erfolglos auf, ausschließlich zur Sache auszusagen: "Keine politischen Reden: Sie sind Angeklagter. Ihre Zeit als Präsident ist vorüber." Als Saddam erklärte, der Prozess sei eine politische "Komödie gegen mich und meine Kameraden", erklärte der Richter die Sitzung für nichtöffentlich. Er schloss alle Medienvertreter - einschließlich der Fernsehteams - aus.

Die Aussagen von Saddams Halbbruder Barsan Ibrahim waren in voller Länge vom Fernsehen ausgestrahlt worden. Der ehemalige Chef des Inlandsgeheimdiensts wies alle Vorwürfe zurück: Seine Hände seien "so sauber wie die des Propheten Moses. An ihnen klebt kein Blut".

Der für seine Brutalität berüchtigte Geheimdienstchef, der einzelne Bürger von Dudschail bei den Verhören persönlich misshandelt haben soll, sagte, die 148 Todesurteile seien in Übereinstimmung mit irakischem Recht gefällt worden.

"Welche Regierung dieser Welt würde diejenigen nicht bestrafen, die versucht haben, das Staatsoberhaupt zu ermorden?" Ibrahim erhob Vorwürfe, seine US-Bewacher im Gefängnis achteten die Menschenrechte nicht. Die im Prozess aussagenden Zeugen aus Dudschail seien zudem nicht glaubwürdig. Zusätzlich zu Saddam und Ibrahim sind sechs Männer angeklagt. Allen droht die Todesstrafe.

© SZ vom 16.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: