Prozess in Rom:Lex Berlusconi vor Gericht

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Wird es tatsächlich eng für Silvio Berlusconi? In Italien wird in letzter Instanz über ein Immunitätsgesetz geurteilt - kippt es, gerät der Premier in Schwierigkeiten.

Julius Müller-Meiningen

Italien wartet gespannt auf ein Urteil des höchsten Gerichts, das über die politische Zukunft von Ministerpräsident Silvio Berlusconi entscheiden könnte. Das Gericht beurteilt die Verfassungsmäßigkeit eines 2008 verabschiedeten Immunitäts-Gesetzes. Danach werden Strafverfahren gegen die Inhaber der vier höchsten Staatsämter - Staatspräsident, die beiden Parlamentspräsidenten sowie Ministerpräsident - für die Mandatszeit ausgesetzt.

Noch lächelt er überlegen; allerdings könnte eine Entscheidung von Italiens höchstem Gericht Silvio Berlusconi in Bedrängnis bringen. (Foto: Foto: dpa)

Regierungschef Berlusconi hat sich so mehrere Gerichtsprozesse, in denen er angeklagt ist, vom Leib gehalten. Sollte das Verfassungsgericht die nach Justizminister Angelino Alfano benannte "Lex Alfano" - de facto eine "Lex Berlusconi", da es auf ihn zugeschnitten ist - verwerfen, könnte das den Regierungschef in schwere Bedrängnis bringen.

Am Dienstag begann die 15-köpfige Richterkammer mit der Beratung. Es ist bereits das zweite Mal, dass ein Immunitätsgesetz vor dem Verfassungsgericht verhandelt wird. Vor sechs Jahren lehnten die Richter eine ähnliche Regelung ab. Nun hofft Berlusconi, dass die modifizierte Version Anerkennung findet. Danach soll die Immunität nur für die Dauer der Amtszeit gelten und die Verjährungsregeln für diese Zeit sollen aufgehoben sein. Diese Punkte hatten die Verfassungsrichter 2003 beanstandet.

750 Millionen für gekauftes Urteil

Das Urteil wird in einer Zeit fallen, in der Berlusconi politisch und wirtschaftlich in Schwierigkeiten ist. Gerade verurteilte ein Gericht in Mailand seine Familien-Holding Fininvest zu Schadenersatz in Höhe von 750 Millionen Euro wegen eines gekauften Gerichtsurteils aus dem Jahr 1991. Die Holding Cir des Medienunternehmers Carlo De Benedetti habe einen wirtschaftlichen Schaden in dieser Höhe erlitten, weil das Gericht auf illegale Weise Mondadori, das größte Verlagshaus Italiens, Berlusconis Fininvest zugesprochen hatte.

In der Urteilsbegründung wird Berlusconi nun als "mitverantwortlich" für die von seinen Anwälten ausgeführte Korruption bezeichnet. Mehrere Anwälte, unter ihnen der Berlusconi-Intimus und spätere Justizminister Cesare Previti, wurden dafür bereits zu Haftstrafen verurteilt. Berlusconis strafrechtliche Verantwortung ist bereits verjährt. Der 73-jährige Ministerpräsident zeigte sich angesichts des Mondadori-Urteils "bestürzt" und bezeichnete den Spruch als "jenseits von Gut und Böse". Alle Gegner sollten wissen, dass die Regierung ihre fünfjährige Mission zu Ende bringen werde. Damit wollte der Ministerpräsident Gerüchten entgegentreten, nach denen seine Regierung in Folge eines negativen Entscheids des Verfassungsgerichts zurücktreten und Neuwahlen notwendig würden.

Drei Verfahren gegen "ilCavaliere"

Berlusconi müsste sich in drei Verfahren rechtfertigen, sollte die Immunitätsregelung als verfassungswidrig beurteilt werden. Für diesen Fall sehen Beobachter die Handlungsfähigkeit der Regierung als eingeschränkt an. Unter anderem müsste Berlusconi sich wegen der Bestechung des englischen Anwalts David Mills verantworten, den er zu mehreren Falschaussagen in Prozessen angestiftet haben soll. Mills wurde erstinstanzlich bereits zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Auch dem Ministerpräsidenten drohte eine Verurteilung.

Zudem ist Berlusconi wegen Steuerbetrugs im Zusammenhang mit dem Kauf von Fernsehrechten seiner Firma Mediaset angeklagt. Außerdem muss er sich gegen den Vorwurf wehren, mehrere Senatoren aus dem Regierungslager gegen Geld abgeworben und so den Sturz der Regierung von Romano Prodi 2008 befördert zu haben.

"Verschwörung von Justiz und Linken"

Die Regierungsmehrheit im Parlament stellte sich demonstrativ auf die Seite Berlusconis. In einer Erklärung der Fraktionsvorsitzenden ist die Rede von einem "umstürzlerischen Plan" der Justiz und der Linken, um den Fall Berlusconis heraufzubeschwören. Der Zeitpunkt des Mondadori-Urteils kurz vor der Verhandlung über die "Lex Alfano" sei verdächtig, argumentierten die Politiker und entwarfen so das Bild einer Verschwörung gegen den Premier.

Neben den Urteilen sieht sich die Regierung außerdem heftigem politischen Protest ausgesetzt, auch wenn die Koalition aus Berlusconis Volk der Freiheit und Lega Nord aktuellen Umfragen zufolge über 56Prozent Zustimmung verfügt. Die Opposition hatte kürzlich die Amnestie für Steuerhinterzieher, die Kapital ins Ausland geschafft hatten, als "mafiös" bezeichnet. Anscheinend hat auch die Massen-Demonstration gegen die Beschneidung der Pressefreiheit vom vergangenen Samstag ihre Wirkung gehabt.

© SZ vom 07.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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