Nach Urteil gegen Mubarak:Massenproteste in Ägypten

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Lebenslänglich für Mubarak und Freisprüche für seine Mitarbeiter: Tausende Ägypter sind erzürnt über das Urteil gegen den ehemaligen Militärmachthaber und fordern seine Hinrichtung. Allein in Kairo versammeln sich 10.000 Menschen.

Nach der Verhängung der lebenslangen Haftstrafe gegen den früheren Präsidenten Hosni Mubarak sind in Ägypten Tausende Menschen auf die Straßen gegangen. Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo - dem Symbol der Revolution - protestierten die Mubarak-Gegner noch am frühen Sonntagmorgen gegen das nach ihrer Meinung zu milde Urteil. Sie kritisierten den herrschenden Militärrat und forderten die Hinrichtung des 84-Jährigen. Zugleich beschworen sie den Geist der "Revolution des 25. Januar".

Aus Protest gegen das Urteil gegen den früheren Präsidenten Hosni Mubarak versammelten sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo Tausende Menschen. (Foto: dpa)

Der Präsidentschaftskandidat der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, schloss sich den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz an. Aktivisten berichteten, der Auftritt des Islamisten sei von seinen Unterstützern gut organisiert gewesen. Auch mehrere der Kandidaten, die im ersten Wahlgang ausgeschieden waren, mischten sich unter die Demonstranten.

Auf dem Tahrir-Platz versammelten sich am späten Samstagabend bis zu 10.000 Menschen. In den Hafenstädten Alexandria und Suez kam es ebenfalls zu größeren Kundgebungen. Die abendlichen Proteste blieben zunächst aber friedlich.

Mubarak war am Samstag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seine beiden Söhne sowie hochrangige Vertreter der damaligen Sicherheitskräfte wurden freigesprochen. Ein Gericht in der Hauptstadt Kairo verkündete das Strafmaß gegen den 84-Jährigen. Der ehemalige Staatschef war angeklagt wegen Amtsmissbrauchs, Bestechlichkeit und des Befehls zur Tötung von Demonstranten während des 18-tägigen Volksaufstands Anfang vergangenen Jahres. Bei der Niederschlagung der Proteste im Zuge des arabischen Frühlings waren etwa 850 Menschen getötet worden.

Gewaltsame Auseinandersetzungen im Gerichtssaal

Der gesundheitlich schwer angeschlagene Mubarak war auf einer fahrbaren Krankentrage in den Gerichtssaal geschoben worden. Mit verschränkten Armen, die Augen von einer Sonnenbrille verdeckt, hörte er hinter Gitterstäben den Urteilsspruch. Zur Begründung seiner Entscheidung führte Richter Ahmed Refaat an, dass Mubarak die politische Verantwortung für die tödlichen Schüsse auf Demonstranten Anfang vergangenen Jahres trage. Vom Vorwurf der Korruption wurde Mubarak dagegen freigesprochen.

Nach der Urteilsverkündung kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen im Gerichtssaal. Viele Ägypter hatten im Vorfeld die Todesstrafe für den ehemaligen Machthaber gefordert. Auch der Staatsanwalt hatte sich in seinem Schlussplädoyer für die Todesstrafe ausgesprochen. Angehörige der Menschen, die bei dem Volksaufstand 2011 getötet worden waren, hatten mit Selbstjustiz gedroht, sollte das Urteil milder ausfallen.

Parallel zu dem Urteil gegen Mubarak, das live im ägyptischen Fernsehen übertragen wurde, wurde auch gegen Mubaraks früheren Innenminister Habib al-Adli eine lebenslange Gefängnisstrafe verhängt. Die Anklagen gegen Mubaraks Söhne Alaa und Gamal wurden hingegen fallengelassen. Auch sechs weitere frühere Vertraute des 84-Jährigen sprach das Gericht frei.

Vor dem Gerichtsgebäude kam es nach der Urteilsverkündung zu Prügeleien und Tumulten. Die Polizei schritt ein, als Angehörige getöteter Demonstranten und Mubarak-Anhänger aufeinander losgingen. Gegner des alten Regimes reagierten auf das Urteil unterschiedlich. Einige brachen auf der Straße in Jubel aus oder knieten nieder. Andere riefen "ungültig, ungültig". Außerdem zeigten sie sich empört, dass der Prozess für die mitangeklagten Polizeioffiziere mit einem Freispruch endete. Die Unterstützer des Ex-Präsidenten, die ebenfalls in großer Zahl vor dem Gerichtsgebäude erschienen waren, hatten ihrerseits auf einen Freispruch für Mubarak gehofft.

Mubarak wird womöglich in Berufung gehen

Der Richter begann die Sitzung mit einer Ansprache, in der er die fast 30-jährige Amtszeit Mubaraks als "schwarze Ära" und die sogenannte "Revolution des 25. Januar" als "Morgenröte" bezeichnete. Refaat sprach von einem fairen Prozess. Dagegen hatten nicht nur die Anwälte Mubaraks, sondern auch andere Juristen bemängelt, dass die Beweisführung nicht überzeugend gewesen sei. Gegner des ehemaligen Staatschefs hielten im Gerichtssaal vor Beginn der Sitzung Bilder von Demonstranten hoch, die bei den Massenprotesten im vergangenen Jahr getötet worden waren.

Mubarak musste sich als bislang einziger Staatschef, der im Zuge des Arabischen Frühlings gestürzt worden, vor Gericht verantworten. Der Aufstand hatte seiner 30-jährigen autokratischen Herrschaft ein Ende gesetzt. Es wird erwartet, dass er gegen das Urteil Berufung einlegt - er selbst hatte stets auf nicht schuldig plädiert.

Als man den 84-Jährigen nach der Urteilsverkündung mit einem Hubschrauber zum Tora-Gefängnis flog, brach der ehemalige Staatschef nach Angaben von Augenzeugen zusammen. "Sein Gesundheitszustand hat sich plötzlich sehr verschlechtert, weshalb ihn die Ärzte nach der Landung an Bord des Helikopters versorgen mussten", sagte ein dpa-Mitarbeiter am Samstag vor Ort. Außerdem habe Mubarak den Hubschrauber nicht verlassen wollen.

Das staatliche Nachrichtenportal Egynews zitierte einen Arzt, wonach Mubarak sehr schlecht auf die Nachricht reagiert habe, dass er nicht zurück in das Militärkrankenhaus gebracht worden sei. Dort hatte er die vergangenen Monate seiner Untersuchungshaft verbracht. Statt dessen wurde Mubarak zur Intensivstation des Tora-Krankenhauses geflogen. Im Tora-Gefängnis vor den Toren von Kairo hatten einst viele politische Widersacher Mubaraks eingesessen.

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/afp/Reuters/feko/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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