Prozess gegen ukrainische Ex-Regierungschefin:Anklage fordert sieben Jahre Haft für Timoschenko

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In dem umstrittenen Prozess gegen die frühere ukrainische Regierungschefin Timoschenko hat die Anklage sieben Jahre Haft für einen angeblichen Fehler der Politikerin gefordert. Kritik wischte die Staatsanwältin mit einem Vergleich zur Spendenaffäre um den früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl beiseite.

Thomas Urban

Im Prozess gegen die frühere ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko hat die Anklage sieben Jahre Haft wegen Amtsmissbrauchs gefordert. Die ukrainische Nachrichtenagentur Unian berichtete, die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Lidia Frolowa habe die seit Anfang August inhaftierte Oppositionsführerin "eine der gefährlichsten Verbrecherinnen des Landes" genannt.

Der Prozess gegen Julia Timoschenko soll angeblich nicht politisch motiviert sein. Während die Ex-Regierungschefin ihre Unschuld beteuert, drohen ihr sieben Jahre Haft. (Foto: dpa)

Timoschenko wird vorgeworfen, ohne Abstimmung im Kabinett 2009 ein für die Ukraine ungünstiges Gasabkommen mit Russland ausgehandelt zu haben. Dem Lande sei ein Schaden von mehr als 135 Millionen Euro entstanden. Persönliche Bereicherung wird ihr nicht vorgeworfen. Gegen die Inhaftierung Timoschenkos hatten die USA und die EU protestiert. Brüssel macht ein Freihandels- und Assoziierungsabkommen mit Kiew von ihrer Freilassung abhängig.

Nach den Worten Frolowas hat sich die damalige Regierungschefin in die Vertragsverhandlungen eingemischt und dadurch ihre Amtsbefugnisse überschritten. Wegen ihrer "besonders schweren Schuld" solle ihr nach der Haft für weitere drei Jahre jegliche politische Tätigkeit untersagt werden. In ihrem Plädoyer verwies die Staatsanwältin auf die Spendenaffäre um den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl und das Strafverfahren gegen den früheren italienischen Premier Bettino Craxi, der zu drei Jahren Haft verurteilt worden war.

An dieser Stelle wurde sie von Timoschenko unterbrochen, die fragte, was die Verweise auf Kohl und Craxi mit ihrem Fall zu tun hätten. Doch der Vorsitzende Richter rügte Timoschenko, sie habe das Plädoyer nicht zu unterbrechen. Frolowa beschwerte sich, dass sich in den beiden Fällen keiner der ausländischen Spitzenpolitiker für die Angeklagten eingesetzt habe, so wie dies nun bei Timoschenko bedauerlicherweise der Fall sei.

Noch in den vergangenen Tagen hatten ukrainische Parlamentarier gegenüber EU-Vertretern erklärt, dass das Gesetz über Missbrauch im Amt geändert werde. Nach diesem aus Sowjetzeiten stammenden Gesetz darf die Staatsanwaltschaft die Qualität der Amtsführung der Regierenden beurteilen. Bei Entscheidungen der Regierung "zum Nachteil der ukrainischen Nation" kann sie Verfahren eröffnen.

Timoschenko hatte immer wieder die Vorwürfe zurückgewiesen. Überraschend war sie dabei von der russischen Führung unterstützt worden. Das Außenministerium in Moskau erklärte, das Gasabkommen von 2009 sei "selbstverständlich im Einklang mit internationalen Normen" ausgehandelt worden. Timoschenko hatte es geschlossen, um den damaligen russisch-ukrainischen "Gaskrieg" zu beenden, und dafür viel Lob von EU-Politikern bekommen.

Auch ein Teil der Kiewer Medien sieht den Prozess allerdings als Racheakt des jetzigen Präsidenten Viktor Janukowitsch, gegen den sich die von Timoschenko angeführte "orangene Revolution" gerichtet hatte.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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