Propaganda:Willkommen im Klub der Roten Garden

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„Sieg, Sieg, Sieg“: Die Begeisterung der nordkoreanischen Fußballfans wie hier bei einem Auswärtsspiel der Nationalmannschaft in Japan ist einstudiert. (Foto: Kunihiko Miura/AP)

Auch Sport ist in Nordkorea eine staatlich organisierte Angelegenheit. Einfach nur bolzen, das geht nicht.

Von Christoph Giesen

Das ganze Stadion steht. Knapp 50 000 Zuschauer passen hinein, es ist voll besetzt. "Sieg, Sieg, Sieg", schallt es von den Rängen. Kaum werden die Namen der Spielerinnen verlesen, ertönt ein ohrenbetäubender Krach. Zehntausende haben Holzklatschen ausgeteilt bekommen, um ihre Mannschaft anzufeuern, hier im Kim-Il-sung-Stadion in Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas. Auf dem Dach meterhohe Porträts von Staatsgründer Kim Il-sung und seinem Sohn Kim Jong-il.

Das Spielfeld ist umrahmt von Reklamebanden, wie in jedem Stadion der Welt. Doch statt für Coca-Cola, den neuesten Audi oder die Telekom wird hier für den Sportartikelhersteller Naegohyang geworben. Nordkoreas Adidas. Oder Royal Blood Fresh, eine Pharmafirma aus Pjöngjang. Auf der Gegengeraden hängt ein Spruchband: "Lasst uns in eine neue Phase der Prosperität eintreten und eine Sportmacht werden", heißt es, "dank des revolutionären Geistes des Mount Paektu." Der Paektusan ist der höchste Berg Koreas. Ein mystischer Ort der Propaganda. Kim Jong-il soll 1942 dort oben in 2750 Meter Höhe geboren worden sein - mitten im Februar.

Hinter einem der Tore weht die Fahne des Nordens mit dem roten Stern auf weißem Grund, daneben die Flagge des Gegners. Weiß und Schwarz. Und in der Mitte das Symbol für Yin und Yang. Südkorea. Es ist die Qualifikation für die Asienmeisterschaften im Damen-Fußball. Politischer kann ein Spiel wohl kaum sein. Einige wenige Journalisten aus dem Ausland dürfen sich im vergangenen April dieses Spiel ansehen. Ein seltener Einblick in das sonst so hermetisch abgeschottete Land. Sollen sie doch in ihren Zeitungen und Fernsehbeiträgen später über den Sieg berichten. Alles andere kommt nicht infrage. Nordkorea ist der haushohe Favorit.

Das Ticket für die Ausländer kostet 30 Euro, ein Vermögen in Nordkorea. Gleich in der vierten Minute pfeift die Schiedsrichterin Elfmeter für den Norden. Zu schwach geschossen, die südkoreanische Torhüterin hält. Kurz vor der Halbzeit gelingt den Nordkoreanerinnen dann doch die Führung. Jubel brandet auf. "Vorwärts! Zeigt ihnen, wer wir sind", brüllt das Stadion. Danach wird jeder Einwurf frenetisch beklatscht, als sei es eine brandgefährliche Torchance - bis 15 Minuten vor dem Abpfiff der Ausgleich fällt. Es wird sehr still im Stadion. Man hört die Südkoreanerinnen auf dem Feld jubeln, sonst nichts.

Nur die Neureichen können sich den Besuch von Eisbahnen oder Fitnessstudios leisten

"Bitte keine Fragen stellen", zischt einer der beiden staatlichen Begleiter beim Rausgehen. "Das wäre nicht gut", sagt er knapp. Er schreibt eine SMS an Freunde, die nach dem Ergebnis fragen, 1 : 1; er weiß, die Zeitungen werden keinen Spielbericht drucken. Die amtliche Tageszeitung Rodong Sinmun titelt am nächsten Tag: "Der respektierte oberste Führer Genosse Kim Jong-un hat eine Vor-Ort-Anweisung in der Pjöngjanger Pilzfabrik gegeben." Die Partei habe die weise Entscheidung getroffen, "aus unserem Land ein Land der Pilze zu machen", soll Kim gesagt haben. Champignons, Pfifferlinge - aber kein Fußball. Sport, das ist Politik in Nordkorea.

Nun also Winterspiele in Pyeongchang, Südkorea. Und der Norden schickt eine Delegation. Auch das ist hochpolitisch. Die größte Hoffnung Nordkoreas ist ein Eiskunstlaufpaar. Ryom Tae-ok und Kim Ju-sik. Sie ist 18, er ist 25. Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Helsinki belegten die beiden Rang 15. Trainiert werden sie von einem Kanadier. Im Juli und August studierten sie gemeinsam das Programm in einer Paarlaufschule in Montreal ein. Zuletzt sah der Trainer seine Eleven im Herbst, er sei korrekt bezahlt worden, sagt er. Sein Rat, an mehr Wettkämpfen teilzunehmen, sei allerdings nicht befolgt worden.

Auch beim Fußball sitzen inzwischen ausländische Trainer am Spielfeldrand. Seit knapp zwei Jahren betreut der ehemalige Bundesligatorschützenkönig Jørn Andersen die nordkoreanische Nationalmannschaft der Männer. Die Jugend der Damen trainiert ein Deutscher, Ex-Profi Thomas Gerstner. Im Unterschied zu anderen Nationaltrainern sehen sie ihre Teams nicht bloß alle paar Monate, sondern beinahe jeden Tag. Unter der Woche trainieren sie die besten Spieler des Landes. Am Wochenende kehren diese zu ihren Klubs zurück. In der ersten Liga heißen die Mannschaften Amrokgang, der Verein der Staatssicherheit, oder Sonbong, der Klub der Arbeiter, Bauern und Roten Garden. Als bestes Fußballteam des Landes gilt der 25. April, der Militärsportklub. Spielerwechsel wie in Europa, gar Ablöseforderungen, sind undenkbar. Man wird delegiert in Nordkorea. Sportler, das ist ein Beruf.

Breitensport gibt es so gut wie nicht. Wozu auch wertvolle Kalorien verbrennen in einem Land, in dem Millionen unterernährt sind? Wer hier trainiert, macht es professionell. Als Fußballer, Gewichtheber oder eben als Eiskunstläufer. Die einzige Ausnahme sind die Neureichen in Pjöngjang. Ihre Kinder kurven am Wochenende auf Inlineskates über den Kim-Il-Sung-Platz, jene weitläufige Fläche, auf der sonst die Militärparaden des Regimes stattfinden. Vor ein paar Jahren wurde ein Fitnesscenter in Pjöngjang eingeweiht. Machthaber Kim Jong-un hat es besucht, über der Tür haben sie deshalb ein Messingschild angebracht, so wie über jedem Raum, den Kim betritt. Auch dort gab der Diktator eine Vor-Ort-Anweisung. Wie in der Pilzfabrik. Ein eigenes Amt wacht darüber, dass die Anordnungen später auch umgesetzt werden. Mehr Spiegel brauche das Studio, forderte Kim damals, damit die Sportler ihre Muskeln besser betrachten können. Sein Wille geschah natürlich. Es sieht jetzt aus wie im Puff.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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