Propaganda:Bilder lügen doch

Der SWR hat journalistische Standards verletzt.

Von Stefan Kornelius

Häufig kommt es nicht vor, dass eine Dokumentation im Öffentlich-Rechtlichen wenige Stunden vor der Ausstrahlung aus dem Programm genommen wird. Aber nach quälenden Tagen der Leugnung konnte der verantwortliche Sender Südwestrundfunk die Gesetze der Schwerkraft nicht umdeuten: Propagandamaterial zu Corona in Wuhan bleibt Propagandamaterial, auch wenn man ihm einen kritischen Anstrich verpasst. Journalistische Standards verbieten es, den Gegenstand der Berichterstattung - in diesem Fall den chinesischen Staat - das Material liefern zu lassen.

Die Ereignisse in Wuhan stellen den Beginn einer neuen Zeitrechnung dar. Die Umstände des Ausbruchs der Corona-Pandemie werden auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte das Chinabild und den Umgang der Staaten miteinander prägen. Schon ein falscher Zungenschlag reicht aus, um hier historischen Schaden anzurichten. Wuhan muss aufgeklärt werden, keine Frage, aber diesmal hätte die ARD nicht dazu beigetragen.

Die Episode wirft ein helles Licht auf die Methoden, mit denen Staaten Einfluss auf die Erzählung von Geschichte nehmen. Mit der Krim fing es nicht an, und mit Wuhan wird es nicht enden: Dies ist das Zeitalter der Fremddeutung und der Fabrikation. Bilder sagen nicht die Wahrheit.

© SZ vom 16.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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