Produktkennzeichnung:Deutsche wollen mehr Angaben auf Lebensmitteln

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Die Verbraucher sorgen sich um Tierwohl, Umweltschutz und Gentechnik. Dazu wollen sie bessere Informationen.

Von Markus Balser, Berlin

Verbraucher fordern in Deutschland eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln. Mehr als 80 Prozent der Deutschen wünschen sich Informationen darüber, ob tierische Produkte gentechnikfrei, umweltfreundlich und fair erzeugt wurden. Sogar 85 Prozent der Befragten wünschen sich Angaben zu Haltungsbedingungen von Tieren. Das geht aus dem Ernährungsreport 2018 hervor, den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Berlin vorstellte.

Die Ergebnisse bringen die Bundesregierung in enorme Erklärungsnot. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD vor vier Jahren eigentlich auf schärfere Kennzeichnungspflichten etwa bei der Gentechnik oder der Herkunft und dem Produktionsort oder auch beim Tierschutz verständigt, sich später in der Regierung jedoch davon verabschiedet. Zwar plante Schmidt ein staatliches Tierwohllabel. Doch das Gesetzesvorhaben versandete. Eine von Verbraucherschützern geforderte Ampel-Kennzeichnung für Salz, Zucker und Fett lehnt Schmidt ab.

Kritische Nichtregierungsorganisationen warfen dem Minister deshalb am Mittwoch Versagen vor. Die Qualität von Produkten, und wo sie oder ihre Zutaten herkommen, lasse sich nach wie vor meist nicht erkennen, kritisiert die Verbraucherorganisation Foodwatch. Schmidt sei nicht aktiv geworden oder habe nur Scheininitiativen auf den Weg gebracht, bemängelte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. Längst überfällige Gesetzesinitiativen seien ausgeblieben.

Der Bericht macht auch klar, wie tief der Graben zwischen Verbrauchern und Landwirten inzwischen ist. Denn besonders kritisch sehen die Deutschen die Produktionsprozesse im Agrarsektor. Umwelt- und Tierschutz sind die wichtigsten Erwartungen der Deutschen an die Bauern - noch vor der Qualität der Produkte und der fairen Bezahlung der Mitarbeiter. Mehr als 90 Prozent der Deutschen wären laut Umfrage bereit, für artgerechte Tierhaltung auch mehr zu bezahlen.

Damit werden allerdings Widersprüche bei den Verbrauchern deutlich. Denn trotzdem kaufen laut Umfrage nur elf Prozent der Deutschen ihre Lebensmittel überwiegend in Bioläden oder Biosupermärkten, 35 Prozent beim Discounter, 64 Prozent im Supermarkt. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Oktober 1000 Deutsche ab 14 Jahren zu ihren Ess- und Einkaufsgewohnheiten befragt. Der Bericht beschreibt also nicht die tatsächlichen Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten, sondern das, was die Befragten über ihre Gewohnheiten sagen. "Die Bereitschaft der Verbraucher in Umfragen, für höhere Standards zu bezahlen, ist größer, als wir das an der Ladentheke feststellen", sagt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands.

Bessere Haltungsbedingungen für Tiere sollen nun erneut im Koalitionsvertrag landen. Er gehe davon aus, dass ein staatliches Label bei Gesprächen zur Regierungsbildung eine Rolle spielen werde, sagte Schmidt.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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